Anais Besconds lange Karriere „eine große Überraschung“

Auf die Frage „Wenn du zurückdenkst an die Zeit, als du 18 warst und mit Marie Dorin Habert bei der WM Jugend-Staffelgold gewonnen hast, hättest du da gedacht, dass du bis 35 beim Biathlon bleibst?“ antwortet Anais Bescond völlig verdutzt: „Nein, das ist auch rückblickend noch eine große Überraschung. Damit habe ich nie gerechnet. Mein Ansatz im Biathlon und im Leben war immer, jedes Jahr für sich zu nehmen, so wie es kommt. Wenn es gut läuft, prima, wenn nicht, dann versucht man, es besser zu machen. Ich hatte nie wirklich große Ziele. Ich war einfach immer nur da und habe mein Bestes gegeben. Die Zeit ist so schnell verflogen. Im Geiste trainiere ich immer noch, aber nur noch da!“

Die Karriere der immer lächelnden Bescond endete in der vergangenen Saison und kann sich sehen lassen: ein Olympiasieg, zwei olympische Bronzemedaillen, sieben IBU WM-Medaillen, vierzehn Einzelpodestplätze und 43 aus Frauenstaffeln, gemischten und Single-Mixed-Staffeln.

Header iconAnais Bescond Retires

Biathlon-Abschiede

Ihren Abschied vom Biathlon feierte sie am 29. Mai mit Fans, Familie, Freunden und Mannschaftskameradinnen. „Das war sehr bewegend. Es war ein wichtiger Schritt: Erst habe ich die Entscheidung getroffen, dann gab es die nette Veranstaltung in Oslo mit IBU Familie, dann noch eine bei den französischen Meisterschaften, und es war schön, diese Momente mit diesen Menschen zu teilen. Traurig, aber schön, und sehr emotional.“

Mountainbike-Marathon mit bester Freundin Marie

Seitdem ist Bescond beschäftigt gewesen und ist unter anderem mit ihrer früheren Mannschaftskameradin und „besten Freundin Marie." bei einem mehrtägigen Mountainbike-Marathon angetreten. „Es war komisch, keine Athletin mehr zu sein aber ein großes Ziel zu haben, weil das ein hartes Rennen war und mit Marie, die immer top in Form ist. Ich war sonst immer so fokussiert und professionell. Es war wichtig, ein Ziel zu haben, eine Herausforderung, und einen Grund, vor die Tür zu gehen. Im ersten Monat nach dem Abschied habe ich mich erstmal erholt, war mit Andrew (Chisolm) in Kanada und war aber trotzdem aktiv und habe auf dem Mountainbike trainiert. (Der Rücktritt) ist eine große Veränderung, die man verarbeiten muss, und es war gut, dabei die Unterstützung meiner Lieben zu haben. Ich habe eine innere Leere verspürt, die ich mit anderen Dingen füllen musste. Ich habe eine Trainerausbildung angefangen und neue Sachen ausprobiert. Vorher war ich Athletin und im Training, und jetzt lerne ich, wie man Trainerin wird.“

Bescond hat im Sport und darüber hinaus eine positive Einstellung zum Leben, und erklärt: „Ich glaube, ich bin durch den Biathlon zu einem so positiven Menschen geworden, wegen der Menschen, die ich kennengelernt habe, und der Erfahrung, die ich gemacht habe. Als Teenager war ich nicht besonders positiv eingestellt. Das Leben, das ich heute führe, verdanke ich dem Biathlon. Ich bin ein besserer Mensch.“

Erster Sieg: „einmalig... leider“

Dieser positiven Grundeinstellung verdankt die Frau „ohne große Ziele“ eine Reihe von Highlights, an die sie sich gern erinnert. „Mein erster und einziger Sieg im Sprint von Antholz 2014 war eine große Überraschung. Es war so aufregend! Ich weiß nicht, warum das Rennen besser gelaufen ist als die anderen und warum mir das nie wieder gelungen ist. Ich durfte das Podium mit Andrea Henkel und Darya Domracheva teilen, zwei großartige Frauen. Ich bin so stolz darauf. Eine grandiose Erinnerung, absolut einmalig, leider.“

Medaillen mit Freundinnen

„Die IBU Weltmeisterschaften 2016 in Oslo waren für mich eine der besten Wochen im Biathlon überhaupt. Es war fantastisch und ich habe tolle Erinnerungen daran. Im Einzel (als Zweite) hinter Marie (Gold) einzulaufen war ein wichtiger Moment in meiner sportlichen Laufbahn und auch in unserer Freundschaft.

Wenn ich an die Goldmedaille mit der gemischten Staffel bei den Winterspielen 2018 denke, kommt es mir immer noch wie ein Traum vor. So wie ‚Wow, das habe ich wirklich geschafft,‘ und dann mit Freunden, Menschen, die mir sehr am Herzen liegen. Das war unbeschreiblich.“

Noch eine „beste Woche“ in Annecy Le Grand Bornand

Kurz vor dem Ende ihrer Karriere gönnte sich Bescond noch ein weiteres Highlight, den 2. Platz im Sprint von Annecy Le Grand Bornand, zuhause vor ihren treuen französischen Fans. „Auch das war eine meiner besten Wochen in diesen acht Jahren. Ich bin stolz und es fehlt mir schon, aber ich weiß, ich habe das alles erlebt und keiner kann es mir nehmen. Ich habe dieses Gefühl, etwas wahrlich Gutes erreicht zu haben.“

Staffeln: „Freundschaften und der gemeinsame Weg“

Auch wenn diese vier Highlights hervorstechen, Besconds Freude an Staffeln zieht sich durch ihre gesamte Karriere. „Die waren besonders wegen der Menschen, mit denen ich mir das Treppchen geteilt habe. Es war ein schöner gemeinsamer Weg mit ihnen. Ich habe eine Schwäche, an die sie sich sicher auch alle erinnern. Das geht nicht nur mir so. Ich habe nicht so viel Selbstvertrauen und glaube gar nicht an mich. In einer Staffel war ich Teil eines großen Ganzen, einer Gemeinschaft, und das fand ich total spannend. Freundschaften und der gemeinsame Weg waren letzten Endes das Beste am Biathlon.“

Mit diesen schönen Biathlonerinnerungen macht sich die 35-Jährige nun auf in den nächsten Lebensabschnitt. „Mein Vertrag mit der Armee läuft fünf Jahre, und dann findet man mich vermutlich in Kanada. Die Armee hat mich 15 Jahre lang unterstützt und ich will weitermachen und im Sport bleiben, aber da warte ich noch auf die finale Antwort.“

„Im Sport lernt man fürs Leben“

Wenn sie auf ihre Karriere zurückschaut, hat der Biathlon Bescond zwei wichtige Dinge gelehrt: „Bescheidenheit und Resilienz. Mach weiter. Wenn es dir Spaß macht, mach weiter. Es ist eine so herrliche Erfahrung, auch wenn es manchmal hart wird, ist es das auf jeden Fall wert. Im Sport lernt man fürs Leben. Man nimmt unglaublich viel mit, auch wenn es einem in dem Moment gar nicht bewusst ist.“

Fotos: IBU/Christian Manzoni, Jerry Kokesh, Anais Bescond

Teile die News!

Header iconAbonniere unseren Newsletter