Arnd Peiffer: Leiser Abschied vom aktiven Sport

Arnd Peiffer näherte sich dem Ende einer weiteren guten Saison mit Rang 11 in der Weltcupgesamtwertung, fünf Treppchenplätzen in Einzelrennen, einer IBU WM-Silbermedaille und seinem allerersten Massenstartsieg im BMW IBU Weltcup, als er alle mit seinem abrupten Rückzug aus dem aktiven Biathlonsport überraschte. Es gab keine „Abschiedstour“, keine letzte Siegerrunde mit Champagner und Fanfaren. Peiffer beendete einfach seine Karriere und verließ ohne viel Tamtam den Biathlonzirkus.

Peiffers leiser Abschied entspricht ganz seinem Charakter. Die meisten Athleten hätten sich mit Peiffers Erfolgen im Hintergrund noch einmal richtig hochleben lassen: 2018 Olympiagold im Sprint sowie Staffelmedaillen, 2014 zweifacher IBU Weltmeister. Insgesamt gewann Peiffer 17 IBU WM-Medaillen, fuhr 11 Karrieresiege ein und stand mit der Staffel und der Mixed-Staffel unglaubliche 46 Mal auf dem Podest. Am Ende postete er nur wenige Abschiedsworte in den sozialen Medien, gab noch einige Interviews zu Saisonende und lebte sein Leben danach einfach weiter.

Header iconArnd Peiffer Through the Years

Geplanter Rückzug: Familie und Erik Lesser wussten Bescheid

Peiffer planten seinen leisen Abschied vom Biathlonsport bereits lange vor März, erzählte es aber nur wenigen Vertrauten. „Ich habe diese Entscheidung im Sommer getroffen, also hatte ich lange Zeit, darüber nachzudenken… Die Gründe sind einfach mein Alter und meine Familie. Es ist mir wichtig, mehr Zeit zu Hause zu verbringen. Ich wusste, dass ich in ein, zwei Jahren nicht mehr konstant gute Leistungen bringen und das Treppchen erreichen könnte. Wenn man nicht aufs Podest kommt, lohnt sich all das Training einfach nicht… Nur wenige Menschen wussten davon: Meine Familie und Erik (Lesser) haben es im Herbst erfahren. Es tat mir gut, dass einer meiner Teamkollegen von meiner Entscheidung wusste. Alle anderen dachten, dass ich noch einmal bei den Olympischen Spielen in Peking an den Start gehe.“

Abschied mit guten Leistungen“

Als Peiffer seine Entscheidung getroffen hatte, war er noch motivierter als zuvor. „Ich konnte den Weltcup noch mehr genießen, denn ich wusste, dass es meine letzte Saison war. Aber niemand fragte andauernd, wie es ist, das letzte Mal in Oberhof und Antholz zu laufen. Also standen ich und mein Rückzug aus dem aktiven Sportleben in der Saison nicht permanent im Rampenlicht. So konnte ich mich auf die Rennen konzentrieren und sie genießen… Ich war im Sommer und während der harten Trainingseinheiten noch motivierter als zuvor, denn ich wusste, es wird meine letzte Saison, und ich wollte mich mit guten Leistungen verabschieden.“

Gute Saison: Kampf gegen die jungen Wilden

Der 34-Jährige lieferte eine gute Saison mit sechs fehlerfreien Wettkämpfen ab. Bei fünf davon stand er auf dem Treppchen – immer umgeben von den jungen Wilden wie Sturla Holm Laegreid und Johannes Dale. „Man braucht 100 % Trefferquote, gute Skier und eine gute Form, um aufs Podest zu laufen. Gegen diese jungen Kerle mit all ihrer Motivation, Kraft und Ausdauer und ohne Familie und andere Verantwortungen zu bestehen, ist ziemlich schwierig. Wenn man über 30 ist, geht es nicht mehr nur um trainieren, essen, schlafen… Ich genieße die Kämpfe gegen diese jungen Wilden wie Johannes Dale, der mit die besten Schlussrunden laufen kann… Gegen sie anzutreten war cool. Ich bin froh, dass ich die Chance dazu hatte. Es war beeindruckend zu sehen, was sie in dieser Saison abgeliefert haben… Jeder erwartet von Sturla, dass er bei Olympia Medaillen holt, aber die Olympischen Spiele folgen immer eigenen Gesetzen.“

Der ruhige Champion

Arnd Peiffer war ein Champion, der sich nicht wie einer benahm. Er blieb bei seinem zweiten internationalen Rennen der Karriere, dem IBU-Cup-Sprit 2007 in Obertilliach, fehlerfrei und startete damit eine unglaubliche Karriere. Von diesem Zeitpunkt bis zu seinem Karriereende lieferte Peiffer konstant exzellente Leistungen ab, stand 40 Mal auf dem Podest in Einzelrennen, sammelte bei jeder IBU Weltmeisterschaft, an der er teilnahm, Medaillen, sicherte sich Gold bei den Olympischen Winterspielen 2018, Sprintgold bei der IBU Weltmeisterschaft 2011 sowie Einzelgold bei der IBU WM 2019. Seine Siege bei Großveranstaltungen wie den OSW schienen ihn immer zu überraschen. „Ich habe keine Ahnung, wie das passieren konnte. Die anderen beiden (Johannes Thingnes Boe und Martin Fourcade) haben die Saison sowohl in der Loipe als auch am Schießstand dominiert. Ich hätte nicht gedacht, dass jemand vor ihnen laden würde. Und ganz sicher nicht ich.“

Podest im Visier

Trotz seiner Erfolge konnte Peiffer nicht alle Ziele auf der Liste abarbeiten, aber er bereit nichts. Der deutsche Starathlet war immer in Reichweite des Podiums und stand in jeder Saison seiner Karriere – von 2007 bis 2021 – im IBU Cup oder BMW IBU Weltcup mindestens einmal auf dem Treppchen. Das schafften nur wenige weitere Athleten. „Ich habe nie eine Kristallkugel gewonnen, ob klein oder groß. Ich war oft Zweiter oder Dritter in den Gesamtwertungen, aber nie ganz vorn. Diese eine Sache habe ich verpasst, aber das ist okay, denn ich war nie ein Athlet, der ein Rennen nach dem anderen gewinnen konnte. Es war mir immer möglich, einige Siege einzufahren oder aufs Treppchen zu kommen und die Leute zu überraschen, aber ich habe es nie geschafft, eine Woche nach der anderen ganz oben zu stehen… Aber ich habe immer daran geglaubt, dass ich, wenn alles perfekt läuft, ganz vorn sein könnte.“

„Bleib in der Mitte und mach deine Arbeit“

Peiffer war der perfekte Biathlet: bescheiden, hart arbeitenden, selbstbewusst, aber nicht auftrumpfend und mit einem Leben abseits des Sports. „Ich habe versucht, mein Selbstbewusstsein nicht von meinen Leistungen abhängig zu machen. Ich wollte nicht nach einem guten Rennen himmelhoch jauchzend und nach einem schlechten zu Tode betrübt sein. Ich wollte immer einen Mittelweg finden. Zu viel Selbstbewusstsein ist nicht gut, denn es führt dazu, dass man Fehler macht und sich für besser hält, als man ist… Bleib einfach in der Mitte, selbstbewusst, aber nicht zu selbstsicher, und mach deine Arbeit… Ich konnte immer gut mit Enttäuschungen umgehen, denn ich hatte meine Familie. Mein Leben drehte sich nicht nur um Biathlonergebnisse.“

„Spaß, keine Langeweile“

Obwohl seine Familie für ihn heute an erster Stelle steht, gibt Peiffer zu, dass es während seiner Karriere enorm wichtig für ihn war, Zeit mit seinen Teamkollegen und Freunden wie Erik Lesser zu verbringen. „Wir waren mehr als Mannschaftskameraden. Vor allem Erik und ich sind beste Kumpel, denn wir haben so viel Zeit miteinander verbracht. Wir haben wichtige emotionale Momente miteinander geteilt. Es hilft, wenn man einen Freund oder mehrere Freunde im Team hat, denn man verbringt auf Tour so viel Zeit zusammen. Das hat mir gut getan… Wir waren nicht bei allen Themen einer Meinung, aber wir hatten viel Spaß und es war nie langweilig. Wir haben uns manchmal stark kritisiert, aber es war in Ordnung, den anderen auch einmal härter anzupacken, denn wir waren Freunde.“

Die Zukunft

Einen Monat nach seinem Rückzug aus dem Athletenleben plant Peiffer nun seine Zukunft. „Es ist nicht einfach. Jeder Athlet muss diesen Schritt gehen, denn man kann nicht im Weltcup laufen, bis man 65 ist. Man gibt etwas auf, was man die meiste Zeit seines Lebens getan hat und in dem man richtig gut ist. Egal was ich jetzt mache, ich werde darin nicht so gut sein wie als Biathlet, denn ich war unter den besten Zehn der Weltrangliste. Er wird schwierig sein, etwas zu finden, wo ich ebenfalls zu den besten Zehn auf der Welt zähle… außer es machen nicht mehr als zehn Leute. Dann ist es vielleicht möglich!“

Kampfgeist

Der Mann mit den 369 IBU Weltcupstarts gab während der Saison zu, dass die Zeit ihn langsam einholte – trotz der Podestplätze, der IBU WM-Silbermedaille und des großartigen Massenstartsiegs in Hochfilzen. „Es wird nicht einfacher, wenn man 33 Jahre alt ist. Man muss immer alles geben und fehlerfrei schießen. Es ist schwierig, gegen diese jungen Wilden zu bestehen… Auf der Strecke gelten für alle die gleichen Regeln, egal ob man 21 oder 30 ist oder ob man bereits Medaillen gewonnen hat. Niemand wartet auf dich, nur weil du Olympiasieger bist… Man muss sich jeden Rang erkämpfen. Aber genau so mag ich die Biathlonrennen.“

Der richtige Moment

Wenn Peiffer an den Zeitpunkt seines Abschieds und sein letztes Einzelrennen denkt, ist er zufrieden und bereut nichts. „Ich bin sehr dankbar, dass ich so lange im Weltcup laufen durfte… Ich habe es genossen. Ich bin zufrieden… Ich habe keine Verletzungen und kann immer noch täglich Sport treiben. Es ist super, auszusteigen, wenn man sich noch gut fühlt. Ich denke, es war der richtige Moment. Auch in der Verfolgung von Nove Mesto habe ich noch gekämpft. Ich habe super schlecht geschossen und es trotzdem genossen, gegen meine Konkurrenten zu kämpfen. Das war ein toller Moment, denn ich dachte: ‚Okay, ich höre auf, aber ich genieße die Rennen immer noch.‘ Man sollte die Karriere beenden, bevor man die Lust an den Wettkämpfen verliert. Es war (ein Abschied nach Wunsch und) genau so, wie es mir vorgestellt habe.“

Photos: IBU/Christian Manzoni, Evgeny Tumashov, Ernst Wukits

Teile die News!

Header iconAbonniere unseren Newsletter