Sieger mit gemischten Gefühlen
Babikov hatte gemischte Gefühle bei seinem ersten Triumph seit dem Verfolgungssieg in Östersund im Dezember 2016, war er doch für die russische Olympiamannschaft gerade erst nur als Ersatzmann aufgestellt worden. „Ich fühle mich leer. Ich bin nicht euphorisch. Vor dem Rennen gingen mir nur Olympia und unser Team im Kopf herum. Ich finde, wir verdienen es, mit sechs Athleten bei den Winterspielen anzutreten, aber es sind eben nur fünf, und für mich gibt es keinen Platz. Im Rennen habe ich nur daran denken können. Dieser Sieg ist eben keine Goldmedaille. Später werde ich mich vielleicht mehr darüber freuen können.“
Geheimrezept für Treffer: „langsam und sauber“
Am Schießstand trat er heute mit einem Geheimrezept an, das ihm half, sämtliche Scheiben abzuräumen, während alle anderen patzten. „Es ist ein Geheimrezept. Vor dem Rennen hat mir meine Frau ein Video von meiner Tochter bei der Ballettstunde geschickt. Manche Übungen hat sie sehr langsam, aber sauber absolviert. Am Schießstand habe ich heute daran gedacht. Ich musste langsamer und dabei konzentriert sauber arbeiten, und ich habe es genauso gemacht wie sie.“
Zum Schießen sagte er später weiter: „Als ich den Wind beim Anschießen sah, war mir klar, dass das meine Chance ist, oben zu stehen. Es ist besser, wenn ein bisschen Wind weht. Ich glaube, der war auf meiner Seite und hat mir geholfen, heute zu gewinnen.“
Johannes Thinges Bö, zurück nach einer Woche Heimaturlaub in Norwegen, verfehlte heute dreimal und wurde mit 50,5 Sekunden Rückstand Vierter. Auf Platz fünf landete Sturla Holm Laegreid mit drei Fehlern und 1:32,9 Rückstand, sodass insgesamt gleich drei Norweger in den Top sechs landeten. Der Franzose Simon Desthieux schaffte es mit drei Fehlern und 2:08,2 Rückstand noch auf Platz sechs.
Sonntholz konnte heute ausnahmsweise nur teilweise sonnigen Himmel bieten, dazu +4 °C und eine steife Brise am Schießstand, was das Schießen zu einer Herausforderung machte – und das noch auf 1600 m Höhe. Vetle Sjaastad Christiansen und Laegreid, die mit nur einer Minute Abstand starteten, legten mit fehlerfreien ersten Liegendschießen vor und lagen anfangs mir nur 6 Sekunden Abstand in Führung. Dann drängte sich allerdings Benedikt Doll mit einem fantastischen Ruhpolding-Wochenende im Rücken dazwischen, putzte ebenfalls alle Scheiben weg und lag nur 0,6 Sekunden hinter Christiansen. Tarjei übertraf sie alle und ging als neuer Führender aus dem Stand. Johannes setzte die norwegische Serie mit Startnummer 44 fort, traf alles und ging zwölf Sekunden vor seinem Bruder wieder auf die Strecke.
Christiansen verfehlte im ersten Stehendschießen gleich dreimal und fiel zurück, und auch Laegreid im roten Trikot musste eine Strafminute in Kauf nehmen. Auch wenn er auf der Strecke langsamer unterwegs war als die Norweger, gelang Khalili nach fehlerfreiem Liegendschießen die nächste Trefferserie im Stehen, und so ging er kurz in Führung, bis Tarjei auf 10 Treffer erhöhte und sich 38 Sekunden vor ihn setzte. Emilien Jacquelin zog nach einer moderaten ersten Runde und fehlerfreiem Liegendschießen das Tempo an, traf auch im ersten Stehendschießen und lag nun auf Rang zwei vor dem ebenfalls fehlerfreien Babikov. Quentin Fillon Maillet, der im Liegen einmal verschossen hatte, holte mit einer schnellen Runde und fünf Treffern wieder auf und lag auf Rang fünf.
Beim zweiten Liegendschießen traf der Mann in Rot erneut und ging in Führung. Tarjei setzte fünf weitere Treffer und lag über eine Minute vor Laegreid. Dann traf Alexander Loginov und setzte sich auf Rang drei, 35 Sekunden hinter Laegreid. Babikov blieb mit dem dritten perfekten Schießen weiter im Rennen und lag nur 30 Sekunden hinter dem norwegischen Routinier. Auch Jacquelin kam mit weißer Weste durch und schob sich auf Rang drei mit einer Minute Rückstand. Der Mann im gelben Trikot verschenkte die Chance auf einen Podestplatz mit drei Fehlern.
Laegreids zwei Fehler im letzten Stehendschießen retteten ihm zwar die Führung dort, aber die Podestchancen schienen dahin. Khalili kam ohne Fehler durchs letzte Schießen und ging vorübergehend in Führung. Tarjei verpatzte den perfekten Tag mit zwei Strafminuten, ging aber immer noch mit 10 Sekunden Vorsprung auf Khalili auf die Runde. Babikov setzte vier Schuss langsam und besonnen, zögerte dann lange und traf dann doch auch die letzte Scheibe, sodass er mit 46 Sekunden Vorsprung vor Tarjei auf die letzte Runde ging. Jacquelin verschoss zweimal und rutschte aus den Top drei. Johannes, der sich im zweiten und dritten Schießen Fehler geleistet hatte, kam ohne Fehler durchs Stehendschießen und schob sich vor auf Rang vier mit 1:07 Rückstand.
Babikov quälte sich auf der letzten Runde und hatte 1300 Meter vor dem Ziel nur noch 14 Sekunden Vorsprung auf den im Ziel führenden Tarjei übrig. Obwohl er weiter verlor, reichte es am Ende für den zweiten Sieg seiner Karriere.
Kugelsammlung vollständig: „Auch wenn man nicht trifft, kann man gewinnen“
Tarjeis zweiter Platz war trotzdem auch ein Sieg. Zwar konnte er das Rennen nicht gewinnen, aber die Punkte reichten für den Sieg in der Einzelwertung im Weltcup, sodass der 33-Jährige nun eine vollständige Sammlung Kristallkugeln sein Eigen nennen darf: Gesamtweltcup, Sprint, Verfolgung, Massenstart und jetzt das Einzel. „Wenn man im letzten Schießen nicht trifft, fühlt man sich wie ein Versager. ... Es ist einfacher, früh zu verschießen und am Ende zu treffen, auch wenn das Ergebnis das gleiche ist. ... Ich bin nicht so ein guter Schütze wie Babikov, also brauche ich ein bisschen Glück. Ich musste schnell laufen, und das habe ich auch gemacht. Ich habe mein Bestes gegeben. Ich war sehr enttäuscht, als ich verschossen hatte, aber als mir dann klarwurde, dass ich die Kristallkugel gewonnen habe, war ich wieder glücklich. ... Wir haben gestern darüber gesprochen. Ich habe gemerkt, dass das die Kristallkugel ist, die zuhause noch fehlt, und dann hatte ich die Motivation, das zu machen. Ich weiß, dass ich Laufen und Schießen kann, aber das über 20 Schuss hinweg zu machen, ist schwierig. Heute ist es mir nicht gelungen, aber die Kristallkugel habe ich geholt. Man muss immer positiv denken. Wie beim Rennen heute: Auch wenn man nicht trifft, kann man gewinnen.“
Die Grundlage für Khalilis ersten Podestplatz im BMW IBU Weltcup waren die 19 Treffer. „Ich konnte es gar nicht glauben. Manchmal waren die Bedingungen gut am Schießstand. Ich hatte nur beim dritten Schießen große Probleme, weil der Wind so stark war, und dachte bloß: ‚Oh nein.‘ Ich habe bei dem starken Wind gut geschossen, aber als er nachließ habe ich verfehlt, das war heute nicht so gut bei mir. ... Es ist ein guter Schritt vor Olympia. Es ist wichtig, mir bewusst zu machen, dass ich um gute Platzierungen mitlaufen kann.“
Fotos: IBU/Thibaut