In ihrer vielversprechende Biathlon-Karriere schaffte es die 30-Jährige nie auf das Niveau, das andere ehemalige Langläuferinnen wie Denise Herrmann-Wick, Anna Carin Zidek (Olofsson) und die sechsfache Weltcup-Gesamtsiegerin Magdalena Forsberg vor ihr erreicht hatten. Bei ihren 36 Weltcup-Starts erreichte Nilsson nur zweimal die Top 10. Ihr einziger Podestplatz in der obersten Liga war ein dritter Platz mit nur einem Fehler beim Sprint in Kontiolahti 2022. In der letzten Saison wurde sie im IBU Cup dreimal Dritte.
Dass sich trotz ihrer kraftvoll rasanten Laufleistungen der Erfolg nicht einstellen wollte, lag am Ende am Schießen. Der schwedische Schießtrainer Jean-Marc Chabloz nahm sie von Anfang an unter seine Fittiche und arbeitete unermüdlich mit ihr. Im Training beriet sie sich viel mit Chabloz, die beiden analysierten und suchten Antworten, und Nilsson sagte: „Es ist wirklich wertvoll, jemanden mit dem Blick fürs Ganze zu haben. Er weiß, dass ein Tag so laufen kann und der nächste ganz anders.“
Achtzehn Monate nach ihrem Wechsel sprach Nilsson über ihre Erfahrungen im Biathlon: „Ich habe mir gedacht, dass das schwer wird ... und das ist es. Irgendwie habe ich es auch deswegen gemacht. Ich wollte nicht, dass mir alles zufällt... Es ist genau das gleiche Gefühl (wie beim Einstieg in den Langlauf). Als würde man noch mal ganz von vorn anfangen, als Neueinsteiger. Man lernt jeden Tag etwas Neues und hat neue Vorbilder.“
Trotzdem fand sie nicht so recht das Gleichgewicht zwischen Laufen und Schießen, auch wenn Chabloz gegenüber dem Nordic Magazine sagte, er glaube, sein Schützling sei nah dran. „Ich habe ihr gesagt, dass die Biathlon-Erfolge gar nicht mehr weit weg sind. Ihr fehlte die Konstanz beim Laufen, um beim Schießen ruhiger zu sein... Als ich in Oslo mit ihr sprach, gestand sie, dass es jetzt langsam hart für sie würde, das konnte ich gut verstehen... Es wurde zunehmend schwieriger, die kritischen Stimmen zu ertragen, weil sie das nicht gewohnt war.“
Johannes Lukas und sein Team waren in den letzten Saisons ähnlich frustriert wie Nilsson. „Die Sache war, dass sie nach anfänglichen großen Fortschritten in ihrer zweiten Saison gleich einen Podestplatz holte, das war eine tolle Entwicklung. Dann haben alle gleich den nächsten Schritt erwartet.“
Weiter sagte er: „Wir sahen in vielen Trainingsläufen tolle Ergebnisse. Aber die starke Frau, die man im Training sah, war nicht die, die man in den Rennen erlebte. Sie war nicht frei. Sie gewann Testrennen. Ich habe Excel-Dateien mit Siegen in Sprints, Testrennen, null-null mit den schnellsten Laufzeiten. Aber das haben wir im Winter nicht oft gesehen... manchmal dachten wir, sie habe Probleme, auf der Stecke Tempo zu machen und am Schießstand den Fokus zu finden, das ist manchmal einfach schwierig... Wir waren ein bisschen ratlos, als es nicht geklappt hat. Stina ist in Schweden berühmt und stand unter großem Druck. Die Medien haben sie auf Schritt und Tritt begleitet. Es hat einfach nicht mehr wirklich Spaß gemacht, es immer wieder zu versuchen und dann bleiben die Resultate aus.“
Lukas sagt, es gebe keine einfache Antwort darauf, warum Stina Nilsson es im Biathlon nie ganz nach oben geschafft hat. „Es ist wirklich schwer zu sagen, warum sie nicht so erfolgreich war, wie wir gehofft hatten, ob es der Druck war, mentale Aspekte, oder die Kombination aus Skilaufen und Schießen.“
Und doch hat der schwedische Trainer so viel Freude an neuen Herausforderungen wie Nilsson an neuen Zielen in den Ski Classics, wie einem Sieg im legendären Vasaloppet. „Ich würde es wieder tun, weil ich sehr gerne mit neuen, anderen Athlet*innen arbeite. Wenn Menschen olympische Medaillen gewonnen haben, weiß man, dass sie anders sind. Die haben etwas Besonders an sich. Es ist nicht immer leicht, mit ihnen zu arbeiten, aber es macht Spaß, und Spaß ist wichtig.“
Fotos: IBU/Christian Manzoni, Harald Deubert, Jerry Kokesh, Svensk Skidskytte