Die erste Woche in der dünnen Luft von Livigno war die Vorbereitung für eine zweite Woche auf moderater Höhe in Obertilliach. Nach herrlich klarem, sonnigem Wetter in Livigno wartete Obertilliach mit Regen und Nebel auf, was den Wochenplan gehörig durcheinanderwirbelte. An einem klaren Julimorgen mit 7 °C machten sich die 14 Männer, 5 Frauen, 10 Trainer und Betreuer um 08:45 auf den Weg zur ersten Trainingseinheit des Tages. Zur großen Gruppe gehörten fast die kompletten Weltcup-Kader der Frauen und Männer sowie die Männer aus dem IBU Cup. Uros Velepec, der Cheftrainer der Männer, dazu: „Den B-Kader mitzunehmen war meine Idee. So sehen sie, worauf sie hinarbeiten (Weltcup) und wir haben ein paar zusätzliche Trainingspartner dabei.“ Auch wenn sie parallel trainierten, war das Programm bei Männern und Frauen komplett gegensätzlich. Beide stiegen mit den üblichen Aufwärmrunden auf Skirollern ein, plauderten und genossen das schöne Wetter vor dem Anschießen.
Nach dem Anschießen wurde es bei den Männern spürbar ernst. Am zehnten Tag des ersten Trainingslagers stand die erste intensive Einheit der Saison ganz oben auf dem Plan. Velepec erklärte: „Alle haben jetzt mehr als 6 Wochen zuhause trainiert, überwiegend Grundlagenarbeit, und jetzt müssen wir sehen, wie sie mit Tempo umgehen. Wir machen am Donnerstag noch eine intensive Einheit und beenden das Trainingslager Samstag mit Zeitfahren.“ Die Männer zogen für bessere Unterscheidung Startnummern über und gingen in sieben Weltcup/IBU-Cup-Paaren auf zwei sechs-Minuten-Runden, schossen liegend/stehend gefolgt von einem Laktattest, kurzer Erholung, nächster Durchgang. Hier ging es nicht nur darum, auf der Strecke und am Schießstand alles zu geben. Velepec, der praktisch jeden Athleten intensiv filmte, schaute auf Abzugskontrolle, Bewegung auf dem Lauf und Ausführung, brachte dann bei jedem Schießen noch einen Überraschungseffekt ein. Aggressiv sollten seine Schützlinge schießen, die Komfortzone verlassen und Risiken eingehen, schnell schießen. Justus Strelow, der beste Schütze im Weltcup, bestätigte: „Uros drängt uns sehr, schnell zu schießen.“ Velepec ergänzte: „Wir müssen es aggressiv angehen, angreifen, nicht abwarten und defensiv agieren. So gewinnt man Rennen, das ist unser Ziel.“
Nach sieben Durchgängen nahm Velepec für den letzten Teil der zweieinhalbstündigen Einheit das Tempo raus: Leichtere Runden am Schießstand und langsame Schießeinlagen nach jeder Runde. Das Urteil des Trainers: „Manche waren echt gut, andere haben versagt, aber so lernt man dazu. Einer der Jungs gab zu, dass er sich gut gefühlt und mehr aus sich herausgeholt hatte, als ich erwartet hatte, kein Problem. Diese Einstellung will man ja, und er war mit dem Laktat immer noch nicht weit über dem Grenzwert.“
Ein paar Bahnen von den Männern entfernt beendeten die Weltcup-Frauen das Anschießen, luden nach und stellten sich für Ein-Schuss-Übungen auf: Einmal Schießen, runter von der Matte, gleich von vorn (L, L, S, S), bis die vier Magazine leer waren, wie bei den Männern mit Fokus auf Geschwindigkeit, aber auch Treffer. Nach vier Durchgängen, angeführt von Franziska Preuss und Janina Hettich-Walz, ging es für die Frauen ganz anders weiter als für die Männer. Die Fünf liegen langsam die Schießstand-Runde, setzten fünf besonnene Schuss und wiederholten das, bis alle fünf Magazine leer waren, gefolgt von 20 Minuten Skiroller klassisch, währen die Trainer die Magazine auffüllten. Sverre Röiseland, der Trainer der Frauen, beobachtete sein Team so aufmerksam wie Velepec und erklärte: „Langsames Schießen und Treffer, ja. Und auf manchen Runden setzen sie fünf Schuss aus dem Magazin und laden zwei Runden von Hand nach. Wir arbeiten noch an den Grundlagen.“ Nach vier solchen Durchgängen waren die zweieinhalb Stunden bei den Frauen auch fast vorüber. Die Athletinnen und Athleten machten sich auf den Weg zum Hotel für ihre Mittagspause, die Trainer räumten die Schießmatten weg, kehrten die Hülsen zusammen und tauschten sich über den produktiven Morgen aus.
Für viele ging es nach dem Essen zur Massage für die müden Muskeln. Selina Grotian sagte, die Massage mit dem Aromaöl sei „perfekt und ich dufte jetzt richtig gut!“ Die junge Deutsche sagte über ihren Trainingstag: „Das war nicht mein bester. Ich hatte von Anfang an Probleme, bin nicht richtig reingekommen und konnte mich nicht konzentrieren. Das passiert manchmal im Training. Das Gute ist, dass mir das nie im Rennen passiert. Ich bin richtig gut darin, an Renntagen konzentriert zu bleiben!“
Nach ein paar Stunden Ruhe stand zum Abschluss die zweite Trainingseinheit auf dem Plan. Frauen und Männer trainierten erneut getrennt: Die Frauen gingen laufen, die Männer auf eine lange Mountainbike-Tour.
Getrennte Wege, aber den Erfolg im Winter als gemeinsames Ziel: Biathleten werden im Sommer gemacht!
Fotos: IBU/Jerry Kokesh