„Für mich war es eine wirklich harte Saison. Ich war während der Vorbereitung im Herbst viel krank, und als die Saison dann losging, war ich überhaupt noch nicht bereit“, so Ukaleq Astri Slettemark. Schon nach der Weltcup-Eröffnung in Östersund beschloss sie, wieder in den IBU Cup zu wechseln. Ukaleq ist aber nicht völlig unzufrieden mit der letzten Saison, da sie in der Single-Mixed-Staffel von Obertilliach mit ihrem jüngeren Bruder Sondre Slettemark einen 7. Platz belegte. „Dieses Rennen hat gezeigt, dass wenn wir beide gut in Form sind, wir von einem Sieg in dieser Disziplin gar nicht so weit weg sind.“
Auch wenn sie sich körperlich die ganze Saison über müde gefühlt hat, hat man es ihren Schießergebnissen nicht angesehen. „Selbst in meinem ersten Biathlonrennen habe ich 10 von 10 Scheiben getroffen. Ich liebe das Schießen, ich lerne gern dazu und bin detailverliebt. Ich denke, ich bin auch deswegen eine so gute Schützin“, erklärt sie.
Nicht nur Ukaleq tritt im Biathlon an, sondern die gesamte Familie Slettemark. Beide Eltern liefen schon selbst auf Weltcup-Niveau Rennen und sind jetzt Offizielle, ihr 19-jähriger Bruder tritt mit ihr zusammen an. „Es ist etwas Besonders, mit Sondre Rennen zu laufen. Bislang war ich alleine unterwegs, aber jetzt habe ich eine Mannschaft und spüre den Teamgeist. Endlich verstehe ich, wie es den anderen Teams geht! Ich bin so stolz auf ihn.“
Manch einer fragt sich vielleicht, ob es nicht schwierig ist, mit dem eigenen Bruder zu reisen und Rennen zu laufen, und ob die Geschwister sich nicht streiten. Ukaleq lacht nur und sagt: „Wir sind gute Freunde. Er ist vermutlich einer meiner besten Freunde, und wenn wir streiten, raufen wir uns schnell wieder zusammen.“
Viele Athlet*innen wollen sich nach Saisonende entspannen und erholen, Ukaleq hatte andere Pläne. Sie beschloss, am Arctic Circle Race teilzunehmen, das in ihrer Heimat Grönland ausgetragen wird. Bei dem dreitägigen Rennen müssen 160 Kilometer zurückgelegt werden, und die Teilnehmenden verbringen zwei Nächte in Camps in der Wildnis.
„Ich wollte schon seit vielen Jahren mitmachen, aber meine Eltern haben gesagt, das sei sehr schwer. Meine Mutter hat 17-mal teilgenommen, und davon dreimal schwanger! Sie hat sogar zweimal schwanger gewonnen. Sie ist hier praktisch eine Legende“, lacht Ukaleq. „Natürlich wollte ich das auch machen. Es war eine großartige Erfahrung, und ich kann es nur empfehlen.“
Fragt man sie, was der schwerste Teil war, antwortet sie wie aus der Pistole geschossen. „Ich hatte keine Ahnung, wie ich mir das Rennen einteilen soll, weil ich sonst nur kurze Rennen laufe. Am ersten Tag bin ich es viel zu schnell angegangen, mein Puls war zu schnell und ich bin komplett eingebrochen. Ich habe nur gedacht: Wenn es drei Tage lang so hart bleibt, wie soll ich das überleben? An den beiden letzten Tagen bin ich es langsamer angegangen, und es war schöner. Da habe ich das Rennen genossen, statt einfach nur zu überleben“, erinnert sich Ukaleq.
Sie erklärt, dass die Zeit, die sie zwischen den Etappen mit den anderen Teilnehmenden verbracht hat, das Beste am Rennen war. „Wenn alle da sind, sitzt man einfach zusammen und redet stundenlang über das Rennen. Es gibt so viele kleine Details und dramatische Dinge, die sich zugetragen haben, da hat jeder was zu erzählen. Ich habe eine Australierin getroffen, die einmal um die Welt geflogen ist, nur um das Rennen laufen zu können. Das war cool!“
Als wir auf Grönland zu sprechen kommen, hört man wie sehr Ukaleq für ihre Heimat brennt. „In unserer Kultur dreht sich alles um Gemeinschaft. Alle kennen einander und helfen einander. Jedes Mal, wenn ich in der Stadt unterwegs bin, treffe ich Bekannte.“ Ukaleq lebt momentan den Großteil des Jahres im norwegischen Lillehammer, um bessere Trainingsbedingungen zu haben, vermisst aber ihr Zuhause in Grönland. „Hier hat jeder Lust, sich mit dir zu unterhalten. Wenn ich meine Freunde anrufe, haben sie immer Lust, etwas zu machen. Das ist besonders, und wundervoll“, sagt Slettemark.
Grönland mit seinem Klima ist trotz seines „grünen“ Namens in den Köpfen der Menschen immer ein kalter Ort mit viel Eis gewesen. Nun verändert sich die Landschaft rapide, und das Land verliert in dramatischem Tempo den Eisschild. „Man sieht hier schon einen riesigen Unterschied. Man sieht es am Eisschild, der jedes Jahr zurückweicht. Ich sehe schon den großen Unterschied zu meiner Kindheit. Die Winter werden immer kürzer. Früher konnte man noch den ganzen März und April Ski laufen, manchmal sogar bis in den Mai. In diesem Jahr schmilzt der Schnee schon, und es sieht wüst aus“, erklärt Ukaleq.
„Man sieht auch bei den Tieren einen Unterschied. Es gibt weniger Fische. In Grönland sind wir stark von unseren Jägern abhängig, weil Tiere die einzige Lebensgrundlage sind, die wir hier haben. Da das Meereis verschwindet, haben einige der Jäger Fangausfälle. Sie nutzen das Eis für die Jagd, und wo kein Eis ist, können sie nicht jagen. Das bedeutet, sie können ihren Lebensunterhalt nicht mehr verdienen und müssen dann wegziehen. Es ist sehr beängstigend“, sagt sie.
Ukaleq ist die Nachhaltigkeitsbotschafterin der IBU, und sie möchte neue Ansätze für ein nachhaltigeres Leben finden. „Ich setze mich so sehr für das Klima ein, weil ich mein Zuhause nicht verlieren will. Ich spreche gern mit Menschen und versuche, ein Bewusstsein dafür zu schaffen. Als Botschafterin habe ich da einen guten Aufhänger. Ich habe auch in den Kursen, die wir bei der IBU besucht haben, viel lernen können.“
„Ich habe mich auf die individuellen Veränderungen konzentriert, die ich selbst in der Hand habe, weil sie greifbar sind. Dank der Schulungen der IBU habe ich auch viel über größere Veränderungen gelernt, wie zum Beispiel Nachhaltigkeit bei Veranstaltungen. Als Athlet*in kann man Menschen beeinflussen und ihre Sicht auf die Welt verändern. Es ist cool zu hören, wenn Menschen sagen, dass sie mir zugehört und dann ihr Verhalten geändert haben. Zusammen mit den anderen Botschafter*innen will ich auch noch etwas Konkreteres auf die Beine stellen. Ich hoffe, wir können ein Projekt umsetzen, wie ein Poster für den IBU Family Club oder einen Facebook-Pin für einen Ort, an dem man gebrauchte Kleidung und Ausrüstung abgeben kann“, sagt Ukaleq.