Acht Fragen an den französischen Männertrainer Simon Fourcade

Simon Fourcade hat in seiner langen Biathlon-Karriere so ziemlich alles mitgenommen: Drei Goldmedaillen bei IBU Juniorenweltmeisterschaften, eine Silbermedaille bei einer IBU WM, eine kleine Kristallkugel und 23 Podestplätze mit Weltcupstaffeln. Dann der Wechsel in die Trainerrolle, zu den französischen Junioren, die in den vier Jahren reihenweise Medaillen und Kristall abräumten. Und ebenso schnell ging dann der nächste große Schritt für den 39-jährigen Fourcade im letzten April, als er in die mit großem Erwartungsdruck behaftete Position des Cheftrainers der französischen Männer an der Seite von Schieß-Guru Jean-Pierre Amat wechselte.

Mit seiner jahrelangen Erfahrung, seiner Leidenschaft für Erfolg und seiner ruhigen, aber doch starken Persönlichkeit ist Simon bereit für die Herausforderung, dieses hochkarätiges Team in den nächsten Saisons und im Vorlauf auf die Olympischen Winterspiele 2026 zu mehr Erfolg zu führen. Zwischen zwei Trainingseinheiten sprach er mit uns über diesen großen Karriereschritt und seinen Plan für den Erfolg.

Biathlonworld: Hast du dich innerlich insgeheim schon lange auf die Rolle des französischen Cheftrainers vorbereitet?

Simon Fourcade: Ich habe immer gedacht, dass wenn ich mal eine feste Stelle antrete, es dann irgendwann auf den Cheftrainer-Posten bei einer solchen Mannschaft hinausläuft. Egal ob Frankreich oder eine andere Top-Mannschaft im Weltcup. Ich habe darüber nachgedacht, auch darauf gehofft, aber nie gedacht, dass es so schnell gehen würde. Da ist einiges zusammengekommen. Ich hatte gehofft, dass ich nach vier Jahren bei den Junioren in den IBU Cup aufsteigen kann, den nächsten Schritt gehen, aber bei der französischen Mannschaft hat sich am Saisonende einiges verändert. Als man mir die Stelle angeboten hat, habe ich viel darüber nachgedacht, bevor ich mich entschieden habe. Ich hatte eine solche Stelle für nach 2026 ins Auge gefasst, aber dann hat es sich jetzt schon ergeben. Jetzt nein zu sagen – man weiß ja nie, was zwischen jetzt und 2026 noch alles passiert.

BW: Auch wenn du jetzt gerade erst auf dieses Niveau aufgestiegen bist, waren das Training und die Erfolge bei den Junioren das perfekte Sprungbrett?

SF: Ich denke, bei meiner Arbeit als Juniorentrainer habe ich sehr viel gelernt, weil das Betreuerteam dort nicht so groß ist. Ich musste das Training planen, die Logistik organisieren und mich ums Wachsen kümmern. Ich habe dabei unheimlich viel gelernt und habe jetzt einen guten Überblick darüber, wo es Probleme geben kann und wie man sie löst. ... Bei den Junioren muss man alles erklären. Hier sind die Athleten jetzt älter und erfahrener, aber durch das Erklären habe ich Dinge gelernt, an denen ich als Trainer gewachsen bin. Wenn die Athleten jetzt eine Lösung für ein Problem brauchen, denke ich, habe ich eine Antwort parat.

BW: Viele der Jungs sind ja deine Mannschaftskameraden gewesen. Wie ist es denn, jetzt ihr „Chef“ zu sein?

SF: Ich habe von Anfang an viel mit allen gesprochen, um herauszufinden, was sie brauchen und ob sie mit meinen Plänen einverstanden sind. Wir sind uns vielleicht nicht immer bei allem einig. Aber ich glaube, im Gespräch findet man noch am besten einen Kompromiss. Es ist eine interessante Mannschaft, mit vier Jungs, die schon eher Mannschaftsführer sind, und drei Jungs, die talentiert und jünger sind und die ich mindestens ein Jahr lang trainiert habe. Es ist eine zweifache Herausforderung: Die Erfahrenen müssen (auf höchstem Niveau) leisten und brauchen vielleicht neue Motivation. Bei den jungen Athleten geht es darum, sie zu entwickeln und an die Spitze zu führen. Sie haben weniger Druck, da geht es um die langfristige Entwicklung. Die ältere Gruppe, die wollen jetzt Resultate sehen.

BW: Wie gehst du mit Eric Perrot um, der jung ist und gute Resultate abgeliefert hat, hältst du ihn ein wenig zurück?

SF: Nein, gar nicht, da gibt es keine Grenzen. Er setzt sich selber keine Grenzen, also warum sollte ich ihn irgendwie einschränken? Ich weiß, er ist noch jung, und manchmal wäre es vielleicht gut, einen Schritt langsamer zu machen, aber er ist sehr reif. Ich habe in Frankreich noch nie vorher erlebt, dass ein Athlet in seinem Alter den Schritt zurück in den IBU Cup einfach akzeptiert, ohne Diskussion, weil die Ergebnisse nicht stimmen. Er hat selbst gesagt: „Ich war nicht gut genug.“ Dann ist er wieder zurückgekehrt und hat vor Ende des Jahres noch einen Podestplatz geholt. Er weiß, was er tun muss. Wenn ich ihm ein paar Tipps geben und mit ein paar Kleinigkeiten helfen kann, dann wird er sich weiter entwickeln.

BW: Ist es cool, Jean-Pierre am Schießstand zu haben, in dem Wissen, wie gut er ist?

SF: Klar, Jean-Pierre hat eine Menge Erfahrung und mit über 20 Jahren im Weltcup schon viel gesehen. Es ist schön, mit ihm zusammenzuarbeiten. Auch wenn ich kein Schießtrainer bin, weiß ich dank seiner Erfahrung, wie ich in manchen Situationen reagieren muss. Er ist unglaublich ruhig und jemand, der an Wettkampftagen nicht zu viele Gefühle zeigt, was für die Athleten ungemein wichtig ist: Es ist ein Tag wie jeder andere.

BW: Ich sehe viel Höhe im Trainingsplan, offensichtlich in Vorbereitung auf 2026. Wie wichtig ist das?

SF: Höhe ist kein Schwachpunkt unserer Mannschaft, aber trotzdem ein langfristiges Ziel. Wir wissen alle, was in drei Jahren passieren wird. Wir kennen die Strecke und den Austragungsort und wissen, was die Höhe mit uns macht. Wir haben keine Jungs wie die Skandinavier, die auf 200 m leben, wir haben nicht die gleichen Probleme. Aber man muss lernen, seinen Körper auf dieser Höhe zu belasten und gut zu arbeiten. In jeder Saison hat man vielleicht 30 Chancen, gute Ergebnisse abzuliefern und aufs Podest zu kommen. Aber wenn man an die Weltmeisterschaft oder Winterspiele denkt, da hat man eine Chance. Wenn man im Sprint patzt, verpasst man den Verfolger. Was ich will, ist dass sie für dieses Event bereit sind. Es ist nicht so, dass wir andere Veranstaltungen bis dahin ignorieren werden, aber ich lege den Fokus auf das wichtigste langfristige Ziel.

BW: Was ist das Wichtigste für eine gute Beziehung zwischen Trainer und Athleten?

SF: Am wichtigsten ist, dass man miteinander spricht. Ich bin nicht der Typ Trainer, der Entscheidungen fällt und die dann auf den Tisch knallt. Ich weiß, wann es eine starke Hand braucht, um die Ordnung in der Gruppe zu wahren, aber Gespräche sind immer noch der beste Weg, um Probleme zu lösen.

BW: Ohne konkrete Ziele zu nennen: Was ist das Wichtigste im ersten Jahr als Trainer?

SF: Ich will, dass die Jungs ihr Niveau erreichen. Das letzte Jahr war für sie alle eine schwierige Saison. Ich will, dass sie am Ende der Saison zufrieden sind. Ich will den Jüngeren helfen, sich weiterzuentwickeln und mehr Weltcuperfahrung zu sammeln. Ich will, dass die erfahrenen Athleten es wieder an die Spitze des Weltcups schaffen, ihnen helfen, das Beste aus sich herauszuholen. Wenn das klappt, bin ich zufrieden.

Fotos: IBU/Christian Manzoni, Nordic Focus, Jerry Kokesh

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