Preuß ist die erste Deutsche seit Laura Dahlmeier im Jahr 2017, die am Ende der Saison in der Gesamtwertung ganz oben steht. Obwohl beide 31 Jahre alt sind und derselben Generation entstammen, weisen sie doch markante Unterschiede auf: Während Dahlmeier in ihrer Titelsaison 10 Siege einfuhr, die Frauenwettbewerbe dominierte und sich mit großem Abstand die Große Kristallkugel sicherte, stand Preuß in dieser Saison „nur“ fünfmal ganz oben auf dem Treppchen, war dafür in den meisten Rennen auf dem Podium und sicherte sich den großen Erfolg erst auf den letzten Metern im extrem spannenden Zweikampf mit Lou Jeanmonnot. Laura Dahlmeier beendete ihre kurze, aber herausragende Karriere bereits mit 24 Jahren. Demgegenüber musste Preuß, deren Stern bei den Olympischen Jugend-Winterspielen 2012 mit zweimal Gold und einer Silbermedaille aufging, 13 Jahre warten, ehe sie in der Weltcup-Gesamtwertung ganz oben stehen durfte.
Rückblickend auf ihr großes Jahr sagte Preuß: „Mein größter Erfolg in dieser Saison war, dass ich den ganzen Winter über gesund geblieben bin. Das grenzt fast an ein Wunder.“ Brillante Leistungen und der eine oder andere Tag im Gelben Trikot wechselten sich in den letzten zehn Jahren immer wieder mit Krankheiten oder Verletzungen ab. Doch die erfahrene Deutsche steckte nicht auf. „Ich bin wirklich stolz darauf, dass ich meinen Weg weitergegangen bin. Vor allem danke ich meiner Familie und meinen Freunden. Sie haben mich die ganze Zeit unterstützt und mir nach dem Verlust des Gelben Trikots unzählige aufmunternde Nachrichten geschickt. Ich habe gespürt, dass sie allesamt hinter mir stehen. Das hat mir viel Energie gegeben. Wenn es wirklich hart auf hart kommt, kann ich mich auf sie verlassen. Das ist toll.“
Der Verlust des Gelben Trikots nach der Verfolgung in Oslo war vielleicht sogar ein Segen, da sich Preuß so auf die Disziplinwertung im Massenstart und weniger auf die Gesamtwertung konzentrieren konnte. „Natürlich ist es hart, wenn du im vorletzten Rennen der Saison das Gelbe verlierst. Aber ich habe mir gesagt, vielleicht ist es besser so. Ich habe es lieber gestern verloren als heute und versucht, die Sache nicht zu sehr an mich heranzulassen. Heute habe ich all meinen Fokus auf die Disziplinwertung im Massenstart gerichtet und die Gesamtwertung ausgeblendet. Es war ein verrücktes Rennen.“
Nach ihrem Sieg konnte sie es noch immer nicht glauben. „Ich bin unglaublich dankbar. In den letzten Jahren habe ich immer zu den Athletinnen aufgeschaut, die diese Kristallkugel gewonnen haben. Ich habe mich gefragt, wie es sich wohl anfühlt. Nun stehe ich selber hier und ich muss sagen, dass es absolut unwirklich ist.“
Fotos: IBU/Nordnes, Manzoni, Nordic Focus