Biathlon fristet in der Mongolei ein Schattendasein. Nur die wenigsten der rund 3,3 Millionen Einwohner kennen den Sport überhaupt. Im gesamten Land gibt es weder einen Schießstand noch eine Skirollerstrecke. Trotz dieser schwierigen Voraussetzungen hat es Enkhsaikhan Enkhbat geschafft, seiner Leidenschaft nachzugehen. „Leider gibt es in der Mongolei keine Strecken und keinen Schießstand, an dem ich trainieren könnte. Es gibt keine Zielscheiben, daher kann ich nur auf Papierziele schießen. Und Skirollern geht nur auf der Straße zwischen den Autos“, erklärt der 21-Jährige die Bedingungen in seinem Heimatland. Aus diesem Grund trainiert das Team größtenteils in Kasachstan. Die beiden Nationen setzen dabei auf eine enge Kooperation. Im Oktober fliegt das mongolische Team dann meist nach Europa, um die neue Saison in Angriff zu nehmen. So kam letztlich der Kontakt zu Dmitri Popov zustande, der für die sportliche Entwicklung von Enkhsaikhan Enkhbat eine entscheidende Rolle spielen sollte.
In den letzten Jahren hat Dmitri Popov das mongolische Team mehrfach unterstützt, zum Beispiel als Coach bei Großveranstaltungen wie den IBU Sommerbiathlon-Weltmeisterschaften 2022 in Ruhpolding. Dabei erkannte er das Talent von Enkhsaikhan Enkhbat und sorgte zusammen mit dem für Entwicklung zuständigen IBU Development Team dafür, dass der 21-Jährige bei Popov am Arber im Bayerischen Wald trainieren kann. So kam Enkhsaikhan Enkhbat im März 2023 nach Deutschland. Ein großer Schritt für den jungen Mann, schließlich musste er das Sommertraining ohne seine Teamkollegen organisieren und war zudem mehrere Monate von seiner Familie in der Mongolei getrennt. Doch er nahm die Herausforderung an. „Enkhsaikhan ist extrem ehrgeizig und arbeitet hart. Ich musste ihn im Training bremsen, damit er es nicht übertreibt“, erzählt Popov. „Enkhsaikhan ist ein guter Junge. Er ist sehr dankbar für die Möglichkeiten, die er hier am Arber erhält.“ Enkhbat lernt Russisch und Deutsch, damit er besser mit seinem Trainer kommunizieren kann. Dadurch wurde beispielsweise die über 2.000 Kilometer lange Autofahrt vom Bayerischen Wald nach Kontiolahti, die beide zusammen in Angriff nahmen, noch angenehmer.
Die Internationale Biathlon Union fördert im Rahmen ihres Entwicklungsprogramms kleinere Biathlonnationen wie die Mongolei. „Wir helfen den Nationen, sich im Biathlon zu etablieren und Zugang zu Know-how oder Finanzmitteln zu erhalten. Die Unterstützung der IBU zielt vor allem darauf ab, mehr Talente für den Sport zu begeistern, die Gleichstellung der Geschlechter voranzutreiben, Trainingsstätten zu modernisieren, Biathlon-Fachleute weiterzubilden und Partnerschaften zwischen einzelnen Nationalverbänden zu lancieren“, so Dagmara Gerasimuk, Leiterin der IBU-Abteilung Development. Der mongolische Verband und Enkhsaikhan Enkhbat konnten sich auch dank finanzieller Unterstützung aus dem Netzwerk der IBU weiterentwickeln, da der Mangel an qualifizierten Coaches in der Mongolei und die mit hohen Kosten verbundenen Trainingslager in Europa eine permanente Herausforderung für den Verband darstellen.
Die Saison 2023/24 war die bis dato erfolgreichste in der Karriere von Enkhsaikhan Enkhbat. Die Entscheidung, bei Dmitri Popov zu trainieren, erwies sich für den jungen Mongolen als goldrichtig. Im November und Dezember nahm er zunächst am IBU-Cup teil, ehe er im Februar in Jakuszyce beim IBU-Junior-Cup an den Start ging. Dort holte er den sechsten Platz im Sprint – noch nie zuvor schnitt ein Biathlet aus der Mongolei besser in einem Wettkampf ab. Doch es sollte noch besser kommen: Bei den Offenen Europameisterschaften der IBU in der Junioren-Kategorie gewann Enkhsaikhan Enkhbat die Goldmedaille im Einzel. „Das war der beste Tag in meiner bisherigen Biathlon-Karriere“, so Enkhbat. Bei den Weltmeisterschaften in Nové Město na Moravě ging er ebenfalls im Einzel an den Start und hatte dabei die einmalige Gelegenheit, sein großes Idol zu treffen: „Ich mag den Norweger Sturla Holm Lægreid. Er ist ein richtig guter Athlet und ein starker Schütze. Ich habe mich sehr gefreut, ihn bei der WM in Tschechien zu sehen.“ Für seine Zukunft hat Enkhsaikhan Enkhbat klare Ziele: „Ich möchte meine Ergebnisse verbessern und mich für den Weltcup qualifizieren. Danach strebe ich die Qualifikation für Olympia 2026 an. In fünf Jahren will ich regelmäßig im Weltcup dabei sein.“ Dabei kann er in jedem Fall auf wertvolle Tipps und Hinweise seines Trainers Dmitri Popov bauen.
Fotos: IBU I Manzoni, Koksarov