Das italienische Biathlon-Team erfuhr frischen Wind, als der 20-jährige Didier Bionaz und Tommaso Giacomel Teil des erfahrenen Teams rund um Dorothea Wierer, Lukas Hofer und Co. wurden.
Am Tag seines Debüts sorgte Giacomel allseits für Überraschung, als er es 2020 beim Sprint des BMW IBU Weltcups in Nove Mesto na Morave unter die ersten 30 schaffte und somit als erster nach 2000 Geborener bei der Haupttournee Punkte sammelte. Bionaz schaffte es indes mit einem 13. Platz im Einzel von Antholz im vergangenen Winter fast in die Top 10.
Die beiden guten Freunde teilten bislang alle großen Schritte in ihren Karrieren miteinander und wurden so zu einer Art ungleicher Biathlon-Zwillinge. Trotz ihrer Unterschiede sagen ihnen die Trainer eine glänzende Zukunft voraus, gleichzeitig bringen die beiden Youngsters mit ihrer unbekümmerten und lockeren Haltung aber auch Spannung für die Veteranen mit sich.
In einem Team mit drei so großartigen Athleten und gleichzeitig tollen Menschen wie Doro, Luki und Dominik zu sein, ist eine endlose Quelle der Inspiration. Doro ist wie eine Mutter zu uns, weil sie sich um uns kümmert
Wie alles begann
Die beiden 21-Jährigen fanden auf unterschiedlichen Wegen zum Biathlon: Giacomel stammt seinerseits aus einem Tal in Trentino, in dem erst vor kurzem ein kleiner Schießstand aufgebaut wurde, und entdeckte den Biathlon erst in der Sportschule in Mals-Venosta für sich. Bionaz, der eigentümlicherweise in einer Stadt geboren wurde, die seinen Namen trägt, wohnte dagegen direkt neben einem Schießstand und verliebte sich schon in jungen Jahren in den Sport. Schließlich trat er der Gruppo Sportivo Esercito bei, der er es zu verdanken hat, dass der Biathlon zu seinem Beruf geworden ist. Die beiden lernten sich schließlich bei den ersten Wettkämpfen auf nationaler Ebene kennen.
„Ich kenne Didier seit dem ersten Antritt beim Italien Cup“, erklärt Giacomel. „Ich kann mich sehr gut an diesen 'bocia' (ein junger Draufgänger) erinnern, weil er so klein und dünn war! Ich glaube, wir haben uns fast sofort angefreundet, wir verstehen uns sehr gut.“
„Ich weiß noch, dass wir bis zum Ende jenes Winters deshalb angefangen haben, so viel miteinander zu quatschen, weil wir beide richtig begeistert waren, nicht nur vom Biathlon, sondern von Sport an und für sich ", fügte Bionaz hinzu. „Wir sind zwar schnell Freunde geworden, aber ich hätte nie gedacht, dass unsere Karrieren mal so parallel verlaufen würden. Letztendlich haben wir jeden Schritt unserer Karrieren gleichzeitig machen können. Das weiß ich total zu schätzen, weil ich mit ihm, einem Freund, alle Emotionen und Erfahrungen meiner Karriere teilen kann.“
Irgendwo zwischen der gemeinsamen Medaille bei der Jugend-WM-Staffel und dem ersten Vorgeschmack auf den BMW IBU Weltcup in Nove Mesto na Morave im Jahr 2020 sind die beiden unzertrennlich geworden.
Das Weltcup-Debüt
„Ich muss zugeben, dass es nicht so ablief, wie ich es mir erträumt habe“, sagte Giacomel über den Tag, an dem er zum ersten Mal eine Startnummer auf der Haupttournee trug und einen starken 27. Platz erreichte. „Die Tribüne war leer und alles war so surreal, wenn man bedenkt, dass es sich bei Nove Mesto um eine Weltcup-Bühne mit einer riesigen Tribüne handelt... es war aber toll, meine ganzen Vorbilder zu treffen. Ich werde nie vergessen, wie mir in der Mixed Zone Johannes Boe und Quentin Fillon Maillet zu meinem Sprintergebnis gratuliert haben... das liegt mitunter daran, dass ich todmüde war!"
Für Bionaz war der Start nicht so berauschend. Er legte aber einen guten Auftritt hin und behält jenes Wochenende in guter Erinnerung: „Da gab es sehr viele Emotionen, umso mehr, als man mir sagte, dass ich zum ersten Mal am Weltcup teilnehmen werde. Das kam mitunter deshalb so unerwartet, weil ich bis dahin nur an einer IBU-Cup-Etappe teilgenommen hatte und es meine erste Saison als Junior war. Es kam mir so unwirklich vor, dort zu sein und Seite an Seiten mit Athleten anzutreten, denen ich bis zu zwei Wochen zuvor noch im Fernsehen zugeschaut hatte. Ich erinnere mich an einen Moment in meinem zweiten Wettkampf an diesem Wochenende, während der Staffel. Als wir beim letzten Wechsel auf Rang zwei lagen, bin ich neben Johannes Boe gestanden und er hat mir viel Glück gewünscht... das hat mir wahnsinnig viel bedeutet“.
Wer sind „Tommy und Didier“?
„Aus sportlicher Perspektive sind beide hochtalentiert und extrem motiviert“, erklärte Trainer Andrea Zattoni und dachte dabei nicht nur an die großartigen Ergebnisse, die beide bereits vorzuweisen haben. „Was die Arbeit mit ihnen so leicht macht, ist, dass sie keine Angst haben und hohe Trainingsbelastungen aushalten können, weil sie unbedingt besser werden wollen. Am Schießstand ist Didier ein wenig „bedächtiger“ und Tommy etwas unbekümmerter, aber beide haben gezeigt, dass sie extrem gut schießen können und ich sehe, dass sie viel voneinander lernen.“
Und wie sieht es außerhalb der Biathlon-Tour aus?
„Menschlich gesehen sind sie gute Freunde und gute Menschen. Wenn ich zwei Kinder adoptieren müsste, würde ich nicht zögern, sie zu mir zu nehmen! Klar, sie sind verschieden: Tommy ist etwas impulsiver und gefühlsbetonter, während Didier eher schüchtern und zurückhaltend ist“, schloss er. Wir haben die beiden Freunde gebeten, den jeweils anderen mit nur wenigen Worten zu umschreiben.
„Didier ist... immer spät dran und hat es nie eilig. Dafür ist er einzigartig“, scherzte Giacomel, und Bionaz gab zurück:
„Tommy ist... der sanfte Riese. Groß und stark, aber er hat ein gutes Herz.“
Trainieren mit den Stars des italienischen Biathlons
„Die Gruppe hat uns vom ersten Moment an sehr herzlich aufgenommen“, verriet Bionaz. „Wir haben uns gut eingefunden und ich habe das Gefühl, dass wir jetzt eine große Familie sind.“
Zattoni, der das Team zusammen mit Cheftrainer Andreas Zingerle trainiert, ist mit dem Einfluss der Jungen auf das Team sehr zufrieden und sieht einen positiven Effekt sowohl auf die Neuzugänge als auch auf die Veteranen.
„Die Youngsters haben eine gesunde Unbekümmertheit mitgebracht, nicht nur im Training, sondern auch außerhalb. Während der Trainingseinheiten haben sie einander dann sowohl auf der Strecke als auch am Schießstand gegenseitig gefördert. Tommy (Giacomel) hat zum Beispiel großartige Fähigkeiten beim Stehendschießen, und das beeinflusst Luki (Hofer) und Didier (Bionaz).
Im Gegenzug dazu lernen sie viel von unseren erfahrenen Champions. Besonders wichtig ist mir, wie sie die Zeit außerhalb des Trainings verbringen. Das ist essentiell für hochkarätige Athleten und offensichtlich eine Sache, die die Junioren lernen müssen.“
Giacomel freut sich ebenfalls sehr über diese Situation und gibt zu, dass sowohl Bionaz als auch er selbst ständig um Rat fragt oder alles in sich aufsaugt, was die talentierte italienische Generation, zu der sie nun gehören, zu bieten hat.
„In einem Team mit drei so großartigen Athleten und gleichzeitig tollen Menschen wie Doro (Wierer), Luki (Hofer) und Dominik (Windisch) zu sein, ist eine endlose Quelle der Inspiration. Doro ist wie eine Mutter zu uns, weil sie sich um uns kümmert und uns zum Beispiel beim gemeinsamen Radfahren immer sagt, dass wir bergab langsam fahren, vorsichtig sein und uns nicht verletzen sollen.
Alle haben uns eine Menge beigebracht, allem voran Geduld, denn in unserem Alter ist es normal, von Zeit zu Zeit eins auf die Schnauze zu fallen, wenn man so hart trainiert wie wir. Es geht darum, dem Prozess an sich, uns selbst und all den Menschen zu vertrauen, die uns auf dieser Reise helfen. Wir sind eine tolle Trainingsgruppe, verstehen uns gut und jedes Camp macht richtig viel Spaß!“
Durch ihr junges Alter und die familiäre Atmosphäre in der Gruppe werden Bionaz und Giacomel Zeit haben, an Reife zu gewinnen und sich als Athleten zu entwickeln. Im Hinblick auf die Olympischen Spiele im nächsten Winter haben sie natürlich das Ziel, sich zu qualifizieren und sich den Traum eines jeden Athleten, nämlich unter den fünf Ringen an den Start zu gehen, zu erfüllen. Sie sind sich aber dessen bewusst, dass das keine Eile hat und die nächste Runde 2026 nach Antholz-Anterselva führt.
Photos: Manzoni, Tumashov, Thibaut