Wir stellen vor: Anamarija Lampič

Am 13. Mai wurde eines der am schlechtesten gehüteten Geheimnisse des Wintersports gelüftet: Die Slowenin Anamarija Lampič nahm ein Gewehr in die Hand und wechselte von der Weltspitze des Langlaufs zum Biathlon.

„Stina ist mein Vorbild“

Nach wochenlangen Spekulationen trat Lampič in die Fußstapfen von Magdalena Forsberg, Kati Wilhelm, der Olympiasiegerin von 2022, Denise Herrmann, und Stina Nilsson: Sie ließ den Langlauf hinter sich und suchte neue Herausforderungen im Biathlon: "Stina war im Langlauf ein großes Vorbild für mich. Ich mag, wie sie läuft, denkt und sich bewegt; vielleicht finde ich mich in ihr wieder, weil sie so groß ist wie ich. Wenn man meinen Freund fragt, wer mein größtes Vorbild ist, wird er sagen: 'Stina'. Ich schaue mir immer an, was sie macht. Sie und Denise haben mir und allen anderen gezeigt, dass man mit Entschlossenheit viel erreichen kann."

Mit zehn Jahren: Biathlon, Langlauf und Überraschungseier

Ganz neu war die Biathlonidee allerdings nicht: "Vor einem Monat entdeckte meine Mutter einen alten Aufsatz, den ich mit zehn Jahren für die Schule geschrieben hatte: 'Schau mal, was ich gefunden habe.' Da stand: 'Wenn ich groß bin, möchte ich im Biathlon antreten.' Ich dachte: ´Wow!´ Ich wusste es nicht mehr, aber ich war ein Fan und hatte mich in Langlauf und Biathlon verliebt." Mit dem Langlauf begann sie bereits im Kindergarten, als eine Freundin Lampič fragte, ob sie "Langlauf lernen möchte. Es war draußen und ich bin gern draußen; so hat es angefangen." Damals "liebte ich die Rennen in Italien. Es gab Preise für die Plätze 1-10, und das war meistens ein Korb mit Überraschungseiern und Schokolade. Ich war immer so glücklich, unter den ersten 10 zu sein. Heute würde ich mich so freuen, wenn ich bei irgendeinem Rennen einen großen Korb mit Schokolade bekommen würde. Das wäre so cool!"

Der richtige Zeitpunkt

Trotz ihrer Liebe zum Langlauf hat die 27-Jährige das Gefühl, dass die Zeit für etwas Neues gekommen ist: "Ich habe den Langlauf geliebt. Ich habe eine Kristallkugel und drei Weltmeisterschaftsmedaillen geholt; drei Jahre lang an der Spitze zu stehen, bedeutete viel für eine slowenische Athletin. Ich wollte eine olympische Medaille, aber das hat nicht geklappt. Das war traurig, aber das Leben geht weiter. Nach den Olympischen Spielen fing ich an, mehr über Biathlon zu reden. Das war praktisch die letzte Chance, etwas Neues zu lernen. Wenn ich beim Langlauf geblieben wäre, bis ich dreißig bin, hätte ich es bereut (es nicht mit Biathlon versucht zu haben). Ich weiß, dass es nicht leicht wird; man lernt das Schießen nicht in einem Monat. Das ist wie bei einem Kind, das nicht in einem Monat laufen lernen kann; es braucht ein Jahr! Ich werde einfach geduldig sein und auf den Trainer hören.“

Fahrrad fahren

Nach nur einer Minute ist klar, dass Lampič, die von einer Kindheitserinnerung erzählt, es mit dem Biathlon sehr ernst meint und entschlossen ist, erfolgreich zu sein: "Unsere Familie liebt Sport. Mein Vater trat bei Olympia als Radrennfahrer an. Mein einziger Bruder (Janez, Olympiateilnehmer 2018) ist anderthalb Jahre jünger; wir haben jede Sportart gemeinsam ausprobiert. Er lernte vor mir Radfahren, und ich war so wütend. Ich ging hinter unserem Haus in den Garten und versuchte den ganzen Tag, Fahrrad zu fahren. Abends rief ich meine Mutter und sagte: 'Schau, ich habe es gelernt.‘ Wir wollten uns immer gegenseitig übertrumpfen und haben uns immer gestritten, aber es hat wirklich Spaß gemacht, so viel Sport zu machen."

"Ich lerne jeden Tag"

Die Lernkurve am Schießstand ist für die Biathlon-Neueinsteigerin enorm, doch mit ihrer unermüdlichen Begeisterung nimmt sie es gelassen: "Das ist so viel, dass ich einiges davon vergesse. Es geht sofort rein und gleich wieder raus! Jetzt konzentriere ich mich nur auf Position, Abzug und Atmung. Es ist ziemlich schwer, aber ich lerne und bin sehr zufrieden. Wenn ich die anderen aus dem A-Team sehe, liege ich weit zurück, ich fange bei Null an. Letzte Woche bin ich zum ersten Mal mit dem Gewehr gelaufen, kam zum Schießstand und dachte: 'Was mache ich jetzt? Hinlegen?' Mein Körper machte dicht. Ihr solltet meinen Körper sehen – ich habe überall Schmerzen und blaue Flecken. Das ist ein langer Prozess, aber ich lerne jeden Tag dazu."

"Niemals aufgeben"

Obwohl sie erst am Anfang ihrer Biathlon-Karriere steht, hat Lampič Ziele, aber sie bleiben sehr bescheiden: "Es gibt keinen Druck. Ich habe einige Ziele, aber ich übertreibe es nicht. Ich habe in meinem Leben schon viel erreicht. Wenn ich also in dieser Saison jedes Mal Letzte bin, ist das okay. Ich habe keine Erwartungen in diesem Winter. Ich werde einfach mit dem Strom schwimmen." In diesem Sinne gab sie zu, dass der Langlauf sie etwas gelehrt hat: "Niemals aufgeben. Man muss immer bis zum Ende kämpfen, man weiß nie, was passiert. Das geht mir ständig durch den Kopf. Man muss alles geben und einfach machen!"

Sonniges Gemüt

Diese Einstellung passt genau zum sonnigen Gemüt der Slowenin: "Ich lächle nicht immer, aber ich genieße mein Leben. Ich möchte Menschen um mich haben, die ruhig und immer nett sind und gerne Witze machen. Ich versuche, mich von Leuten fernzuhalten, die negativ sind und nicht lächeln."

Obwohl sie sich zuerst für Langlauf und jetzt für Biathlon entschieden hat, würde Lampič, wenn sie die Zeit zurückdrehen könnte, Schwimmen wählen: „In der Mittelschule hatten wir viel Schwimmunterricht und ich war wirklich gut darin. Nur einen Monat, nachdem ich mich für den Langlauf entschieden hatte, wollten sie mich ins Schulschwimmprogramm aufnehmen, aber meine Mutter sagte: 'Nein, sie hat sich bereits für den Langlauf entschieden.'"

"Ich liebe Essen"

Noch immer ruft sie an einem freien Tag im Sommer das Wasser: "Ich will schwimmen und Eis essen." So sieht für sie der perfekte Abschluss eines harten Trainingstages aus: "Es ist eine Mischung aus duschen, gutem Essen und einem Film. Ich liebe gutes Essen! Es gibt so viele gute Gerichte, dass ich mich nicht für ein Lieblingsessen entscheiden kann. Ich mag Pizza, Pasta, Wiener Schnitzel, fast alles, aber Gemüse mag ich nicht so sehr!"

"Viel lächeln, lustig und verrückt"

Der Gemüse-Kommentar ist die pure, ungefilterte Anamarija Lampič, die den Sport sehr ernst nimmt, sich selbst aber nicht so sehr, aber schnell zugibt, dass sie "viel lächelt und lustig und verrückt ist!"

Fotos: Anamarija Lampič, Nordic Focus

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