Langes Warten „eine Qual“
JT erklärte, das gemeinsame Podest mit seinem Bruder sei das bestmögliche Resultat gewesen, aber die Warterei darauf, ob seine Zeit Bestand hat, sei extrem schwierig gewesen. „Besser kann es einfach nicht werden. Es war das beste Rennen, das ich hier heute im Nebel abliefern konnte. Wenn man als Erster aus dem Starthäuschen geht, kommt man ins Ziel und muss dann warten und den anderen zuschauen, das ist eine Qual.“
Familien-Doppelsieg „verrückt“
Zum harten Einsatz auf der Strecke, mit dem er den Fehler im Liegendanschlag wiedergutmachen musste, sagte er weiter: „Ich habe das Letzte aus mir herausgeholt. Ich habe es über Stockschub zu retten versucht und wollte einfach ins Ziel kommen. Am Ende war das wichtig, weil auch Tarjei heute seine beste Laufleistung abgeliefert hat. Ein Familien-Doppelsieg, das ist einfach verrückt!“
Die norwegischen Mannschaftskameraden Johannes Dale und Vetle Sjaastad Christiansen wurden mit je einem Fehler und 43,6 beziehungsweise 59,7 Sekunden Rückstand Vierter und Sechster, womit Norwegen fünf der Top-Sechs-Plätze belegte. Durchbrechen konnte die norwegische Phalanx nur der Ukrainer Dmytro Pidruchnyi, der mit fehlerfreiem Schießen und 53,4 Sekunden Rückstand nur zwei Monate nach einer Knie-OP Fünfter wurde.
Es war ein typischer Oberhof-Tag heute, das Stadion lag unter dickem Nebel und die Temperatur um den Gefrierpunkt. Der wechselnde Wind hielt den Nebel an Ort und Stelle, und auch wenn er sich ein wenig lichtete, waren die Bedingungen am Schießstand alles andere als perfekt. JT sagte, die Norweger hätten sich wie alle anderen auf die schlechte Sicht einstellen müssen. „Es war ganz interessant, bei dem Nebel hier ins Stadion zu kommen. Wir konnten das Stadion nicht sehen, als wir ankamen, aber wir haben gehofft, dass es ein Rennen gibt. Wir mussten an den Gewehren einiges umbauen (den Diopter) um die Scheiben zu sehen.“
Mit Startnummer 1 ging der Mann im gelben Trikot das Rennen wie erwartet aggressiv an. Er schoss bei den nebligen Bedingungen bedächtig, verfehlte aber die vierte Scheibe. Lägreid schoss schneller und sauber und ging in Führung. Der Titelverteidiger Ponsiluoma meldete mit der schnellsten Schießzeit im Liegen und fünf perfekten Schüssen ebenfalls Ansprüche aufs Podest an. Christiansen bewies, dass er der Herausforderung ebenfalls gewachsen war und kam ohne Fehler mit nur 3,9 Sekunden Rückstand auf die Spitze durchs Liegendschießen. Auch Tarjei lieferte die Null-Fehler-Serie und lag neun Sekunden zurück.
JT lieferte zum Ausgleich ein schnelles, sauberes Stehendschießen ab, auch wenn zwei Scheiben trotz Randtreffern fielen. Er erklärte: „Ich war auf der zweiten Runde nach dem Liegendschießen mit einem Fehler ganz schön unter Druck. Ich musste mich ein paar Sekunden berappeln, vor allem, als dann beim Stehendschießen kein Nebel da war. Der vierte Schuss klang wie ein Fehler, aber die Scheibe fiel, und dann habe ich gedacht, ‚einfach in die Mitte schießen‘, und dann habe ich das noch einmal gemacht. Ich glaube, ich habe ziemlich Glück gehabt. Das ist eben der Sport, nächstes Mal fallen sie vielleicht nicht.“
Lägreid verfehlte einmal, war aber auf der Strecke gut unterwegs und lag vor der letzten Runde nur sechs Sekunden hinter seinem Mannschaftskameraden. Starker Wind verwehte die Chancen von Ponsiluoma, der gleich dreimal verfehlte. Christiansen verfehlte einmal, ging aber mit der drittbesten Zeit auf die Strecke zurück. Pidruchnyi lieferte ein zweites fehlerfreies Schießen und war nur 2,8 Sekunden langsamer als Christiansen. Tarjei mähte auf Bahn 30 seine Scheiben nieder und traf alle, sodass er auf Rang zwei nur 3,2 Sekunden hinter seinem Bruder wieder ins Rennen ging.
Die letzte Runde war JTs Meisterstück. Er war wie üblich unbeschreiblich schnell unterwegs und nahm Lägreid bis ins Ziel ganze 30 Sekunden ab. Lägreid wusste, dass er zurückfiel. „Ich wusste, dass ich Zeit verliere. Das war eine wirklich bittere Information von den Trainern, weil man denkt, dass mit einem irgendwas nicht stimmt, und man ist einfach schlecht. Ich habe es ins Ziel geschafft, obwohl ich sehr müde war und auf der letzten Runde nicht mehr die Kraft hatte, die ich haben wollte. Trotzdem war die Medaille im Sprint ein großer Schritt nach vorn. Es ist meine erste WM-Medaille im Sprint und meine erste WM-Medaille, die nicht Gold ist. Aber es fühlt sich an wie Gold. ... Ich bin so glücklich, hier mit einer Bronzemedaille bei den Weltmeisterschaften zu stehen, es ist wirklich unglaublich.“
Pidruchnyi lief eine großartige letzte Runde und war schneller als Christiansen, den er aus den Top drei verdrängen konnte. 1400 Meter vor dem Ziel lag Tarjei allerdings immer noch auf Platz zwei, acht Sekunden hinter JT. Der ältere Bö-Brüder sprintete das letzte lange flache Stück entlang und ging jubelnd als Zweiter über die Ziellinie. Er lag nun auf Rang zwei hinter seinem Bruder und vor Sturla. „Es ist nicht meine beste Saison gewesen, aber ich war mir sicher, dass ich es mit diesen beiden würde aufnehmen müssen, als wir herkamen. In den letzten Trainings hatte ich das Gefühl, mit ihnen mithalten zu können, und da wusste ich, dass die Form passt. Es war eines meiner besten Rennen angesichts der Bedingungen am Schießstand und verglichen mit meiner Form übers Jahr. Kombiniert mit den Wachsern, die uns hervorragende Ski gezaubert haben, war es ein perfektes Rennen und ein perfektes Podest.“
Silbermedaille „wie ein Sieg“
Tarjei wusste, dass es etwas Besonderes brauchen würde, um seinen Bruder zu besiegen. „Wenn man gegen Johannes antritt, der auf Skiern in diesem Jahr unschlagbar gewesen ist, muss er Fehler machen, damit man ihn schlagen kann. Als er neun Treffer hatte, wusste ich, dass das schwierig wird. Nach meinem zweiten Schießen war ich so dicht dran und hatte gehofft, ihm folgen zu können. Aber ich habe gemerkt, dass es nicht klappt, und auch wenn es eine Silbermedaille ist, fühlt sich das nach dieser Saison an wie ein Sieg, und mit meinem Bruder zusammen ist es schon ziemlich cool.“
„Perfekte Geschichte für die Welt“
Tarjei fügte hinzu, Pidruchnyi mit seinen Mannschaftskameraden bei der Siegerehrung dabeizuhaben, sei in der heutigen Zeit besonders bedeutungsvoll. „Auf Platz eins und zwei zu kommen, das ist ein besonderer Tag, eins und zwei, und dann haben wir Norweger auf drei, vier und sechs und einen Athleten aus der Ukraine auf fünf. Wenn ich mir sechs Athleten hätte aussuchen können, wäre das die perfekte Geschichte für die Welt gewesen: Wir stehen zusammen, sie sind ein Teil unseres Teams und wir unterstützen sie auch.“
Fotos: IBU/Christian Manzoni, Bjorn Reichert