Gold in allen sieben Wettbewerben
Mit seinem vierten Gold-Streich von Oberhof fügte JT Bø nun auch das letzte Puzzleteil in seine beeindruckende WM-Sammlung ein und hat nun in allen sieben Disziplinen bei IBU-Weltmeisterschaften eine Goldmedaille gewonnen. Für den Norweger ein ganz besonderer Meilenstein: „Das ist speziell. Ich kann kaum glauben, dass ich das nächste WM-Rennen gewonnen habe. Das ist schon verrückt und ich genieße einfach jeden Augenblick in vollen Zügen.“
Tiefer Schnee wie für JT gemacht
Auf seine herausragende Laufleistung angesprochen, ergänzte der bisherige Dominator dieser WM: „Schon heute Morgen und beim Aufwärmen habe ich mich sehr gut gefühlt. Durch den nassen, tiefen Schnee ist die Strecke richtig hart. Ich wusste, das sind optimale Bedingungen für mich. Unser Wachsteam – von uns augenzwinkernd die Wachs-Mafia genannt – hat uns wieder einmal das beste Material zur Verfügung gestellt. Die Voraussetzungen vor dem Start waren also super. Aber am Ende muss man immer noch die Scheiben treffen. Da kamen die zwei Fehler natürlich ungelegen, doch am Ende hat es gereicht.“
Der Franzose Quentin Fillon Maillet verspielte seine Hoffnungen aufs Podium durch einen Fehler beim letzten Schießen und kam letztlich mit 1:31,9 Minuten Rückstand auf den vierten Rang. Benedikt Doll vom gastgebenden DSV wurde mit einer Strafminute und 2:09,6 Minuten Rückstand Fünfter. Niklas Hartweg (Schweiz) landete mit zwei Fehlern und 2:31,8 Minuten Rückstand auf dem sechsten Rang.
Der längste Wettbewerb dieser Weltmeisterschaften fand bei frühlingshaften +11 °C und strahlendem Sonnenschein statt. Dazu hingen die Windfähnchen nahezu flach nach unten, während sich die Strecke ziemlich nass und aufgeweicht zeigte. Somit war eine gute Leistung am Schießstand wichtig, da in der Loipe nur wenig Zeit zu gewinnen war – Ausnahme JT Bø. Der Träger des Gelben Trikots legte durch sein nahezu perfektes erstes Liegendschießen die Messlatte für seine Rivalen gleich zu Beginn sehr hoch. Sein ärgster Verfolger Lægreid räumte ebenfalls alle fünf Scheiben ab, hatte zu diesem Zeitpunkt aber bereits 19 Sekunden Rückstand. Der fehlerfreie und läuferisch starke Samuelsson stellte fünfmal auf Weiß und ging 7 Sekunden hinter JT in die Loipe zurück.
Lægreid verzichtete ob der warmen Temperaturen auf eine Kopfbedeckung und räumte hinterher ein, dass die winterliche Hitze eine große Herausforderung für ihn darstellte: „Eigentlich fühle ich mich bei dieser Witterung wohl. Es ist ein bisschen wie Strandurlaub im Sommer. Aber die Hitze steigt einem irgendwann zu Kopf und man sehnt sich nach den kühleren Waldpassagen, um sich dort etwas zu akklimatisieren und frische Luft zu schnappen, bevor es wieder in den heißen Stadionkessel geht. Durch die Hitze ist es mental eine große Anstrengung, am Schießstand kühlen Kopf zu bewahren. Das verlangt einem alles ab.“
Nach perfektem ersten Liegendanschlag blieb Fillon Maillet auch stehend ohne Fehl und Tadel, während JT Bø ein Ziel verfehlte. Läuferisch war der Weltcup-Gesamtführende allerdings so schnell unterwegs, dass sein Rückstand auf den Franzosen nur 16,1 Sekunden betrug. Dann übernahm Lægreid, der auch im zweiten Schießen alles traf, mit wenigen Sekunden Vorsprung die Führung, ehe er kurz darauf von Samuelsson vom Platz an der Sonne verdrängt wurde.
JT setzte sich auf der Strecke vor dem zweiten Liegendanschlag wieder an die Spitze, verfehlte jedoch abermals eine Scheibe und lag damit 41 Sekunden hinter dem weiterhin tadellosen Fillon Maillet. Nach fünf weiteren Treffern setzte sich dann Lægreid vor den Franzosen an Position 1. Im dritten Schießen patzte Samuelsson erstmals und reihte sich als Vierter hinter JT Bø ins Tableau ein.
Fillon Maillet verfehlte durch eine Strafminute im letzten Stehendschießen das perfekte Schießergebnis, während JT durch fünf blitzsaubere Treffer mit 49 Sekunden Vorsprung wieder die Führung übernahm. Nachdem Lægreid seine ersten Scheibe an diesem Tag verfehlte, reihte er sich wieder auf dem für ihn so gewohnten zweiten Rang ein. Durch seine tadellose letzte Fünferserie mischte Samuelsson 0,5 Sekunden vor Fillon Maillet auf der Schlussrunde kräftig im Medaillenkampf mit.
Der scheinbar unbezwingbare JT Bø wusste sehr wohl, worauf es im letzten Schießen des Tages ankam: „Mir war klar, dass ich fünf schnelle Treffer landen musste, um im Kampf um Gold dabei zu bleiben. Ich durfte nicht zu viel Zeit verlieren, da es wirklich Spitz auf Knopf stand.“
Auf den letzten 4 km zog JT Bø in beeindruckender Manier dem restlichen Feld davon und holte trotz der schwierigen Bedingungen Sekunde um Sekunde heraus. Am letzten Anstieg überholte er sogar den fünf Plätze vor ihm gestarteten Fillon Maillet und sprintete zu seinem ersten WM-Gold im 20-km-Einzel. Für seine letzte Runde hatte der Norweger ein einfaches Erfolgsrezept: „Heute ging es darum, die richtige Spur auf der Strecke zu finden. Ich habe darauf geachtet, nicht zu viel Energie zu vergeuden. Ich habe mich das ganze Rennen über super gefühlt.“
Lægreid kämpfte auf der Schlussrunde sichtlich, fiel aber immer weiter hinter seinen Teamkollegen zurück und überquerte die Ziellinie letztlich mit mehr als einer Minute Rückstand.
Unterdessen setzte sich Samuelsson auf der letzten Schleife Sekunde um Sekunde von Fillon Maillet ab. 3,4 km vor dem Ziel hatte der Schwede bereits mehr als 10 Sekunden Vorsprung, die er bis zum Ziel nicht mehr hergab. „Auf der Schlussrunde habe ich gemerkt, dass noch Reserven in meinem Tank waren. Da habe ich alles rausgehauen, weil man schließlich nie weiß, was nach einem noch passiert.“
Am Ende sah das Podium im Einzel genauso aus wie bei der Verfolgung am Sonntag: JT Bø vor Lægreid und Samuelsson.
Moment des Genießens
Im Gegensatz zu manchen Kontrahenten, die sich intensiv mit den schwierigen Bedingungen beschäftigten, wollte Samuelsson den Wettkampf genießen: „Heute war ich ziemlich entspannt. Ich habe das Rennen einfach genossen. Nachdem es in dieser Saison nicht so gut für mich lief, konnte ich nach dem guten Ergebnis vom Sonntag heute entspannt in den Wettbewerb gehen. Ich war vor dem Start positiv gestimmt und habe mich auf den Wettkampf gefreut. Als wir im Stadion ankamen und es so warm war, wussten wir, dass die Bedingungen schwierig sein würden. Alle haben darüber geredet. Doch ich war vom Kopf her gut drauf, um in der Loipe voll anzugreifen. Ich freue mich riesig, dass ich wieder eine Medaille holen konnte.“
Fotos: IBU/Christian Manzoni, Björn Reichert