Für Veranstaltungen dieser Größenordnung sind eine sorgfältige Planung und jede Menge Leidenschaft erforderlich. Hier kommt der Mann ins Spiel, dessen Name für das Event Pate steht: Nach seinem Karriereende wollte Martin Fourcade dem Sport, dem er so viel zu verdanken hat, unbedingt etwas zurückgeben. So wurde das Martin Fourcade Nordic Festival (MFNF) aus der Taufe gehoben. „Ich war überzeugt, dass die Leute es lieben werden. Ich war selbst beim Blink und in Wiesbaden am Start und ich weiß, wie leidenschaftlich die französischen Biathlon-Fans sind. Daher war ich mir ziemlich sicher, dass dieses Format Erfolg haben wird. Natürlich hatte ich auch Zweifel, ob ich das Ganze wirklich umsetzen kann. Sich etwas auszudenken, ist die eine Sache. Es dann aber auch zum Erfolg zu führen, ist nochmal eine andere Hausnummer. Ich habe mich mit Freunden zusammengeschlossen. Wir hatten keine Erfahrung, nur diesen großen Traum. Wir waren wie kleine Kinder, die ein riesiges Auto fahren wollten.“
Nach mehreren Diskussionsrunden mit dem Kernteam, das aus Fourcades Freunden und ehemaligen Biathleten bestand, wurde dem Franzosen bewusst, dass die Sache viel komplexer war, als er es sich zunächst vorstellen konnte. „Im ersten Jahr war ich selbst noch aktiv. Wenn ich heute daran zurückdenke, weiß ich nicht, wie ich das alles schaffen und trotzdem mit guter Form in die Wintersaison gehen konnte. Ich weiß nicht, wie ich die Energie dafür gefunden habe. Mir wurde aber auch bewusst, was für ein großartiges Team an meiner Seite steht.“
Das Team besteht aus festen Kräften und Freiwilligen: „Wir haben über 200 Volunteers, von denen rund drei Viertel in jedem Jahr dabei sind. Sie sorgen für diese einzigartige Atmosphäre. Wenn man genau hinsieht, erkennt man unter ihnen auch ehemalige Biathleten wie meinen Bruder Simon Fourcade, Alexis Bœuf oder den Vorsitzenden des Technischen Komitees der IBU, Christophe Vassallo. Sie fahren dann die Trucks, bauen Zäune auf oder sind anderweitig an der Organisation beteiligt. Alle sind mit vollem Einsatz dabei und kennen ihre Aufgabe genau. Die Arbeitsatmosphäre ist wirklich beeindruckend.“
Auf die Ziele mit dem MFNF angesprochen, erklärt der siebenmalige Weltcup-Gesamtsieger ohne Umschweife und voller Begeisterung: „Ich wollte dem Sport unbedingt etwas zurückgeben. Die Fans in Frankreich sollten auch in den Genuss einer Sommerbiathlon-Veranstaltung wie in Norwegen oder Deutschland kommen, bei der es entspannter als bei den Weltcup- oder WM-Rennen zugeht. Bei den Events im Sommer war ich immer viel relaxter, weil es keinen Druck gab und der Spaß im Vordergrund stand. Das galt sowohl für die Athleten als auch fürs Publikum. Ich habe dem Biathlon viel zu verdanken. Dann hatte ich das Gefühl, dass ich diese Veranstaltung aufziehen könnte, um den Leuten etwas zurückzugeben. Ich wollte aber auch verschiedene Interessengruppen mit ins Boot holen: neben dem Biathlon auch den Langlauf, meine Partner sowie andere Skimarken. Im Village sind alle dabei. Den Biathlon aus dem traditionellen Stadion ins Stadtzentrum zu holen, war eine einmalige Chance. Damit wollte ich sowohl die eingefleischten Biathlon-Fans begeistern als auch jene Leute, die mit dem Sport noch nicht so viel anfangen können.“
Fourcade machte seinen Traum wahr und übernahm dabei auch Konzepte anderer Veranstaltungen. „Ich wollte mich von den positiven Dingen anderer Biathlon-Events inspirieren lassen: Vom City-Flair des Blinkfestivalen, wo jeden Tag unzählige Kinder dabei waren, über die großartige TV-Produktion in Wiesbaden bis hin zur Atmosphäre in Antholz oder Ruhpolding. Dabei haben wir nichts kopiert. Vielmehr mussten wir dem Ganzen ein besonderes französisches Flair verpassen, wenn wir mit dem Format in Annecy erfolgreich sein wollten.“ Mit leicht verschmitzter Miene sagte Fourcade weiter: „Ich habe überall meine Informanten, die mich mit erstklassigen Ideen versorgen. Dabei sind wir keine Gegner, sondern Partner, die dem Biathlon eine große Bühne geben wollen.“
Herzstück des MFNF sind natürlich die Biathlonstars bei den Wettkämpfen. Eine Sache fällt immer wieder auf: die vielen lächelnden Gesichter vor Ort. Selbst wenn sie nicht ihren besten Tag haben, genießen sie die Veranstaltung. „Ich möchte die Athletinnen und Athleten bestmöglich behandeln. Ich gehe so mit ihnen um, wie ich es mir von den Organisatoren selbst immer gewünscht habe. Wir geben unser Bestes: von den Trainingsmöglichkeiten über die einmalige Atmosphäre bis hin zu den Einrichtungen.“
Die Autogrammstunden im Ekosport Village erfreuen sich ebenfalls einer großen Beliebtheit. Unzählige Fans reihten sich in die Schlangen ein, um ein paar Worte mit ihren Idolen zu wechseln oder ein Selfie zu schießen. Martin Fourcade ergänzt: „Diese Fan-Nähe ist ein ganz wichtiger Faktor bei der Organisation des Events. Als Veranstalter kommt es darauf an, möglichst viel kostenlos anzubieten. Die Kids können in Annecy einfach ins Village kommen, sich selbst im Biathlon versuchen, sich Autogramme holen und die Biathlonstars im Wettkampf sehen – und das alles kostenlos. Bei den Wettkämpfen am Sonntag haben wir mehr als 500 Kinder am Morgen und über 800 Erwachsene am Nachmittag. Wir geben allen die Chance, Biathlon zu entdecken und selbst auszuprobieren. Allein der Zugang zu den Tribünen kostet Eintritt. Autogrammstunden, Begleitprogramm und Konzerte sind kostenlos. Zwar ist es nicht ganz billig, kostenlose Konzerte in der Stadt anzubieten, aber es macht mich unheimlich stolz.“
Als Mitglied des Organisationskomitees der Olympischen Sommerspiele 2024 in Paris und Vorsitzender der Athletenkommission Paris 2024 zieht Martin Fourcade spannende Vergleiche. „Bei Paris 2024 geht es darum, unvergessliche Momente zu schaffen. Hier veranstalten wir eine Art Mini-Olympia mit Fans aus aller Welt. Das Personal aus Paris besucht im Rahmen seiner Tätigkeit in den vier Jahren bis zu den Spielen zehn Sportveranstaltungen. Wir sind eine davon. Paris möchte 2024 kompakte Spiele bieten. Doch der Druck, besondere Momente zu schaffen, ist trotzdem enorm. Daher hoffe ich, dass die Delegation von diesem Wochenende etwas mitnehmen konnte.“
Martin Fourcade, der vom Spitzenathleten zu einem leidenschaftlichen Event-Veranstalter geworden ist, beschreibt das MFNF wie folgt: „Das Event trägt meinen Namen. Ich habe die Veranstaltung so aufgezogen, wie ich es mir für ein Biathlon-Event gewünscht habe: offen, kostenlos, sportlich attraktiv, aber auch respektvoll gegenüber dem Umfeld und in Zusammenarbeit mit engagierten, wohl gesonnenen Menschen. Man muss schauen, was man geben möchte und woran sich die Leute erinnern sollen. Sie werden das Event wohl immer mit mir in Verbindung bringen. Das war auch mein Ziel. Deshalb investiere ich so viel.“
Trotz all der harten Arbeit, die mit dem MFNF verbunden ist, strahlt Fourcade übers ganze Gesicht: „Von einem derart großen Erfolg hätte ich nie zu träumen gewagt. Wir veranstalten das Event zum vierten Mal und ich habe in meinem ganzen Leben noch nie so viele freudestrahlende Gesichter gesehen wie an diesen drei Tagen. An diesem Ort gelingt es mir, die Menschen glücklich zu machen – es passiert nicht über die Medien und nicht irgendwo auf der Welt, sondern hier in meiner Heimat.“
Fotos: IBU/Christian Manzoni, Nordic Focus/Leo Authamayou