Das Geheimnis der norwegischen Biathlon-Erfolgsmaschine

Die neue Saison steht vor der Tür und eins ist klar: Die norwegischen Herren werden erneut in jeder Disziplin von der Weltcupgesamtwertung bis zur Weltcupstaffelwertung ganz vorn mitmischen.

Norwegen ist seit Anfang der 90er Jahre, als Jon Age Tyldum zweimal die Weltcupgesamtwertung gewann, kurz bevor Ole Einar Björndalen und Co. die Regie übernahmen, die Biathlonmacht. Seit damals sicherte sich ein norwegischer Athlet 13 Mal den Weltcupgesamtsieg (ebenso wie Frankreich dank Raphael Poirée und Martin Fourcade) und gewann seit 2001 15 Mal die Staffelwertung. Deutschland liegt in dieser Disziplin ziemlich abgeschlagen auf Rang zwei.

Die norwegischen Trainer Egil Kristiansen und Siegfried Mazet haben uns verraten, was diese Dampfwalze auf Kurs hält. Angeführt von JT Boe erkämpfte sich Norwegen die Plätze eins bis fünf in der Weltcupgesamtwertung der vergangenen Saison – und dazu auch noch Rang sieben.

„Sie wollen zusammen sein“

Mazet zufolge beginnt und endet alles mit dem Team. „Die Jungs sind gern Teil der Mannschaft… Egil und ich kümmern uns um die körperliche und die Schießleistung. Wir machen immer kleine Veränderungen. Aber alles hängt von ihrer Zusammenarbeit ab. Sie wollen zusammen sein. Die Jüngeren wissen, dass sie neben JT oder Tarjei besser werden können. Außerdem bringen sie frischen Wind ins Team und fordern die etablierten Athleten heraus. Wenn man auf den Zug aufspringt, kommt man immer weiter nach vorn.“

Laut Kristiansen war es ein Prozess, bis die Mannschaft dorthin gelangte, wo sie heute ist. „Die norwegische Kultur bringt einen Haufen Langläufer und Biathleten hervor. Es rücken immer neue nach. In unserem ersten gemeinsamen Jahr passte es nicht so gut, denn manche Athleten wie Ole Einar und Emil beendeten gerade ihre Karriere. Wir fingen also von vorn an. Es brauchte ein, zwei Jahre, bevor dieses für jeden verständliche System entwickelt und etwas Gutes aufgebaut hatten.“

Tabula rasa

Das Trainer-Duo Mazet/Kristiansen hatte sich vor dieser neuen Zusammenarbeit noch nie getroffen. Kristiansen gibt zu: „Bevor ich die Stelle annahm, hatte ich noch nie ein Biathlonrennen live oder im Fernsehen gesehen!“ Mazet fügt hinzu: „Das war gut, denn so warst du absolut objektiv.“

Vor jeder Saison macht Kristiansen Tabula rasa. „Mein Erinnerungsvermögen ist sehr schlecht. Ich vergesse, was letztes Jahr passiert ist und blicke nach vorn auf das nächste Jahr.“ Mazet fügt hinzu: „Wir wissen, dass es gut ist, sie daran zu erinnern, was wir gemacht haben. Aber wir werden ohnehin alles wiederholen, egal, wie die Saison gelaufen ist. Wir müssen uns auf die kommende Saison und nicht die vergangene konzentrieren.“

Veränderte Einstellung

Als Mazet zum norwegischen Team wechselte, war es sein Ziel, die Athleten dazu zu bringen, „wie Biathleten zu denken und nicht wie Langläufer, die schießen. Sie haben ihre Einstellung verändert, obwohl es ein, zwei Jahre brauchte, die Biathleten-Perspektive einzunehmen. Wir arbeiten getrennt am Laufen und Schießen, aber wir wissen, dass sich die physischen Aktivitäten auf das Schießen auswirken und umgekehrt. Und es ist besser geworden.“ Kristiansen fügt hinzu: „Es ist wichtig, dass die Athleten auf einem so hohen Niveau sind, dass sie mit guten Schießleistungen gute Ergebnisse erzielen. Aber wenn sie gut schießen und schlecht laufen, landen sie auf Rang 10 oder 20. Das ist nicht gut genug.“

„Immer an der Spitze“

Die Motivation, die Besten zu sein, treibt die Norweger laut Mazet an. „Sie wollen immer an der Spitze sein. Sie wissen, dass ihre Gegner stärker werden. Das ist ihre Motivation.“

Kristiansen erinnert sich: „Vor zwei Saisons, nachdem Johannes diese unglaubliche Saison hingelegt hatte, kam er zu mir und fragte: ‚Was machen wir jetzt, um besser zu werden?‘ Ich sagte ihm, es wäre das Ziel, dieses Niveau zu halten. Dann könnte ihn niemand schlagen! Das ist sehr schwierig.“

Es geht ums „Team“

Norwegens anhaltender Erfolg basiert nicht nur auf den Trainerleistungen oder den Trainingsplänen, sondern auf den Athleten. Für Kristiansen ist das Mannschaftsgefühl entscheidend. „Teamgeist ist sehr wichtig – vom Beginn der Trainingssaison an und während der gesamten Wettkampfsaison. Ich sehe, dass die Jungs Spaß haben. Sie genießen das Reisen. Wenn wir ständig zusammen sind, müssen wir uns gut verstehen.“

Mazet fügt hinzu: „Unser Team ist so stark, weil jeder manchmal sein Ding macht, aber wenn wir zusammen sein müssen, dann sind wir es. Es ist nicht so, dass einer hier trainiert und der andere dort und wir treffen uns nur zum Essen. Unser Erfolg basiert auf einer guten Balance.“

Zum Abschluss enthüllt Mazet sein Geheimnis: „Allein ist man schneller, aber zusammen kommt man viel weiter.“

Fotos: IBU/Christian Manzoni, Nordic Focus, Jerry Kokesh

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