„Der Zeitpunkt stimmt einfach. Ich spüre das einfach, und das eigentlich schon das ganze Jahr. Die letzte Saison war unglaublich, aber ich bin so froh, dass ich mir noch ein Jahr gegönnt habe, dieses Jahr, das ist hart gewesen, aber es hat sich unglaublich gelohnt. Ich bin einfach so zufrieden mit allem, was ich erreicht habe – und jetzt ist die Zeit gekommen. Ich spüre das, und ich spüre, dass das Leben noch so viel mehr zu bieten hat als Biathlon. Natürlich wird mein Herz immer dem Biathlon gehören, aber ich freue mich so unglaublich auf die Zukunft!“ (Marte Olsbu Röiseland)
Marte Olsbu Röiseland verlässt den Sport mit einer legendären Erfolgsbilanz, die in den letzten fünf Jahren mit Highlights und Rekorden gespickt war. In dieser Zeit wuchs sie von einem unauffälligen Talent in der norwegischen Frauenmannschaft heran zum größten Start des Teams und einer absoluten Medaillengarantin. Diesen Aufstieg hat sie zwei entscheidenden Verbesserungen zu verdanken. Zum einen verbesserte sie ihre Trefferleistung von soliden 83 % in der Saison 2018/19 auf fast perfekte 91 % in der Saison 2021/22. Zum zweiten wurde Olsbu Röiseland berühmt-berüchtigt für ihre gnadenlos schnellen Schlussrunden, mit denen sie in Einzel- und Staffelrennen einen Sieg nach dem anderen einfuhr.
Man könnte sie als „Spätzünderin“ bezeichnen, gewann sie doch als Juniorin keine großen Preise, mühte sich im IBU Cup und erarbeitete sich den nötigen Feinschliff langsam, bis sich Siege einstellten. Die BMW IBU Weltmeisterschaften 2016 in Oslo waren für Olsbu Röiseland ein Durchbruch. Hier gewann sie mit Gold für die Frauenstaffel und Bronze mit der Mixed-Staffel ihre ersten zwei IBU WM-Medaillen.
Das war nur ein Vorgeschmack auf die Zeit zwischen 2017/18 und 2021/22, in der aus ihr ein dynamischer Biathlon-Star wurde. Silbermedaille im Sprint und in der gemischten Staffel bei den Winterspielen 2018 in Pyeongchang waren ein Vorgeschmack auf drei Goldmedaillen mit der Frauenstaffel, der Mixed- und der Single-Mixed-Staffel bei der IBU WM 2019. Ein Vorspiel zu diesen Medaillen waren Olsbu Röiselands erste Weltcupsiege gewesen, ein Doppelsieg Sprint/Verfolgung in derselben Saison in Nove Mesto na Moravě 2018.
Rekordleistungen zeigte die Norwegerin bei den IBU Weltmeisterschaften 2020 in Antholz. Als erster Athletin gelang es ihr, in jeder der sieben Disziplinen eine Medaille zu gewinnen: Goldmedaillen in Sprint und Massenstart, drei weitere Goldmedaillen in Mixed, Single-Mixed- und Frauenstaffel sowie als Bonbon und absolute Machtdemonstration Bronzemedaillen im 15 km Einzel und der Verfolgung. Nach ihrer fünften Goldmedaille im Massenstart war sie überwältigt und angesichts des eigenen Erfolgs völlig sprachlos: „Ich bin so glücklich, ich war am Anfang des Rennens so müde und bin zurückgefallen (Rang 22). Ich habe mir gesagt, ‚Okay, freu dich einfach, du hast eine gute WM abgeliefert, mach einfach weiter.‘ Dann habe ich im Stehendanschlag plötzlich getroffen. Und auf einmal lief ich um Gold mit. Wenn mir jemand vor dem Start gesagt hätte, dass ich gewinnen würde, hätte ich ihm nicht geglaubt.“
Nachdem sie in der Gesamtwertung der Frauen 2021 Zweite geworden war und in der Saison „nur“ zweimal Staffelgold bei der IBU WM gewonnen hatte, konzentrierte sie sich in der Olympiasaison 2021/22 nur auf die Winterspiele in Peking und lief die anderen Rennen „für den Genuss“ mit. Damit erreichte Olsbu Röiseland Legendenstatus und gewann innerhalb einer Saison fünf Verfolger und drei Sprints. Bei den Winterspielen in Peking holte sie dann Gold in Sprint und Verfolgung sowie Bronze im 15 km Einzel und im Massenstart und krönte das Ganze mit Gold in der Mixed-Staffel, womit sie die Frau ist, die die meisten Medaillen bei einer einzigen Olympiade gewonnen hat.
Wenige Wochen später räumte Olsbu Röiseland noch den Sieg in der Weltcup-Gesamtwertung der Frauen sowie in den Disziplinwertungen im Sprint und in der Verfolgung ab, für sie die ersten Kristallkugeln ihrer Karriere.
Nach gesundheitlichen Problemen im Herbst 2022 stieß Röiseland erst spät zur Weltcupsaison 2022/23 hinzu, konnte aber trotzdem bei der WM in Oberhof Bronze in der Verfolgung und der Mixed-Staffel sowie Gold mit der Single-Mixed-Staffel holen.
Die Norwegerin bewies einmal mehr, dass sie von ihrem Können kein Quäntchen eingebüßt hatte und dominierte die Weltcupwoche in Nove Mesto na Moravě mit einem weiteren Doppelsieg in Sprint/Verfolgung an dem Austragungsort, wo ihr der erste Weltcupsieg geglückt war. Martes Dominanz über die vergangenen fünf Saisons ist auch in der Statistik klar ersichtlich: 24 Medaillen (davon 16 Gold) bei fünf IBU WMs und zwei Olympischen Winterspielen, außerdem 19 Einzelsiege im Weltcup.