Die 20-jährige Ukaleq Astri Slettemark war eine von insgesamt nur vier Athletinnen, die im Olympischen Einzelrennen am Dienstag alle 20 Scheiben trafen. Doch die junge Grönländerin rückte nicht nur wegen dieser grandiosen Schießleistung ins olympische Rampenlicht – schließlich tritt der dänische Dannebrog im Biathlon eher selten in Erscheinung. Dabei geht Slettemark regelmäßig im IBU-Cup an den Start und feierte vergangenen Winter unter grönländischer Flagge ihr Debüt im BMW IBU-Weltcup. Beim bisherigen Höhepunkt ihrer Karriere wollte sie auf ein Stückchen Heimat nicht verzichten und vielleicht auch die uralte Magie ihres Volkes heraufbeschwören, weshalb sie ihren Rennanzug mit traditionellen Amulettzeichen verzierte.
„Sie heißen tunniit. Das sind traditionelle Tattoomotive, die sich die Leute in meiner Heimat früher haben stechen lassen. Heute werden sie wieder populärer“, so Slettemark, während sie auf die Symbole auf den Ärmeln und Beinen ihres Rennanzugs zeigt. „Grönländer haben sich die Motive früher per Hand stechen lassen. Dabei wurde die Nadel in Fett oder Ruß getaucht und dann mit einem Faden unter der Haut durchgezogen. Diese Symbole trugen einst geheime Botschaften.“
Die junge Biathletin wählte die Motive auf ihrem Anzug mit Bedacht aus, noch ehe ihre Olympiaqualifikation feststand. Dabei ließ sie sich von traditionellen Mythen und der Hingabe zu ihren Wurzeln leiten: „Als ich mich für die IBU-Weltmeisterschaften qualifizierte, war das ein riesiger Erfolg. Daher war ich auf der Suche nach etwas Besonderem und habe den Rennanzug kurzerhand selbst gestaltet. Die Harpune – auch tuukaq genannt – hat verschiedene Bedeutungen. Meist ließen sich Männer dieses Motiv als Glücksbringer für die Jagd stechen. Dann gibt es noch qulleq, das Amulett des Lichts. Ein weiteres tunniit stellt eine enge Verbindung zur Familie her – sowohl zu den Verstorbenen als auch zu den eigenen Geschwistern“, so Slettemark weiter.
„Ich wollte, dass auf meinem Rennanzug auch grönländische Motive zu sehen sind. Kurze Zeit dachte ich sogar daran, den Anzug in Landestracht zu gestalten. Doch diesen Gedanken habe ich wieder verworfen, weil es doch ein bisschen zu überladen gewesen wäre. Ich bin überaus glücklich, bei den Olympischen Spielen für Dänemark anzutreten und dabei ein Stück meiner grönländischen Heimat am Leib zu tragen.“
Slettemark weist in dieser Saison eine Trefferquote von 92 % auf. Nimmt man ihre makellose Schießleistung im Einzelrennen am Dienstag hinzu, könnte man meinen, dass neben harter Arbeit und guter Schusstechnik auch die Motive ihrer arktischen Heimat einen gewissen Teil zum Erfolg beigetragen haben. Diese Art der Magie geht sogar weit über den olympischen Geist hinaus...