Saisonvorschau - die Frauen

Tiril Eckhoffs absolute Dominanz in der BMW IBU Weltcupsaison 2020/21 macht sie zur klaren Favoritin, wenn in gut einer Woche die neue Saison beginnt. Eine Reihe von Frauen könnte Eckhoff ihre Spitzenposition streitig machen, nicht zuletzt ihre Mannschafskameradin Marte Olsbu Roeiseland, allerdings wird sie es der Konkurrenz nicht machen.

Hinter Olsbu Roeiseland drängt sich ein dichtes Verfolgerfeld: Franziska Preuss, Hanna Oeberg, Dorothea Wierer und Lisa Theresa Hauser. Allesamt sind sie talentiert genug für den Kampf um die Vorherrschaft, sollte Eckhoff straucheln. Ob das passiert, bleibt abzuwarten.

 

Tiril: eine Klasse für sich

 Eckhoff legte im letzten Winter gehörig vor. Sie verbuchte unfassbare dreizehn Siege (7 im Sprint, 6 in der Verfolgung), gewann in Pokljuka IBU WM-Gold in beiden Disziplinen, zwei weitere Goldmedaillen sowie je einmal Silber und Bronze, ganz zu schweigen von ihrer Trefferquote von 83 %, einer persönlichen Bestleistung. Ihre einzigen „Ausfälle“ waren die eher überschaubaren Leistungen in den 15 km Einzeln (Plätze 67, 18 und 23). Die Siege zeigen, wo ihr größtes Talent liegt: aggressives, schnelles Skilaufen, ähnlich wie bei Mannschaftskamerad Johannes Thingnes Boe. In den letzten zwei Jahren hat sie sich am Schießstand von einer Wackelkandidatin zur souveränen Schützin entwickelt. Bei zehn ihrer dreizehn Siege schoss sie keinen oder nur einen Fehler. Nach dem Sprint in Oberhof sagte Eckhoff: „Mein Trainer sagt immer zu mir, du hast viel mehr Selbstvertrauen, weil du mit einem Fehler gewinnen kannst. Das kann nicht jeder.“ Nach dem Sieg im Gesamtweltcup und 26 Siegen insgesamt in ihrer Laufbahn sprach sie kürzlich mit der norwegischen Zeitung VG über ihr nächstes Ziel.  „Um ehrlich zu sein ist mein Ziel, Tora (Berger) zu schlagen und die beste norwegische Biathletin aller Zeiten zu werden (28 Siege).“  Wenn in der neuen Saison die Tiril der Version 2020/21 antritt, dürfte sie den Weltcup erneut dominieren.

 

Marte auf dem Vormarsch

Nach ihrem spektakulären Auftritt bei den IBU Weltmeisterschaften 2020 in Antholz gewann Olsbu Roeiseland in Pokljuka „nur“ Gold mit der Frauen- und der gemischten Staffel. Trotzdem war es für sie eines der besten Jahre ihrer Karriere: Neben einem zweiten Platz in der Weltcup-Gesamtwertung verbuchte sie drei Siege, wie schon in den drei Saisons zuvor. Nach dem zweiten Sieg in der Verfolgung von Oberhof schaffte sie es immer wieder in die Top Ten, schrammte aber bis zum dritten Platz in der Verfolgung von Nove Mesto immer wieder am Podest vorbei, oft wegen ein oder zwei Schießfehlern. Olsbu Roeiseland war sich ihrer Schwierigkeiten bewusst, wie sie in Nove Mesto sagte: „Ich bin dieses Jahr gut in Form, aber am Schießstand reicht die Leistung nicht für das Podest, vor allem bei den Weltmeisterschaften. ... Ich habe es in vielen Rennen fast geschafft, viele Platzierungen zwischen 4 und 7...“ Auf der Strecke ist sie immer schnell, vor allem auf der letzten Runde, und so wird konstantes Schießen entscheidend sein, wenn sie Eckhoff überholen und sich die talentierten Rivalinnen vom Leib halten will.

Der nächste große Schritt für Preuss?

Franziska Preuss verbesserte sich in der Weltcup-Gesamtwertung nach einem neunten Platz 2018/19 auf den sechsten 2019/20 und auf den dritten 2020/21. Nach dieser Logik ist der nächste Platz der ganz oben. Sie punktete in der letzten Saison mit absoluter Konstanz. Auch wenn sie keinen Sieg einfahren konnte, stand sie neunzehnmal in den Top Ten. Wenn zu dieser Konstanz noch ein paar Siege hinzukommen, könnte es für sie ganz nach oben gehen. Preuss ist am Schießstand schon immer eine Bank gewesen, hatte aber im letzten Jahr Schwierigkeiten im Stehendanschlag. Ein neuer Schaft gibt ihr nun neue Sicherheit beim Stehendschießen. Die 27-jährige Deutsche hat in der letzten Saison eine Lektion gelernt, die ihr in diesem Jahr den Weg nach vorn ebnen könnte: „Ich habe gelernt, an mich zu glauben, mich daran zu erinnern, dass ich eine gute Athletin bin. Wenn man so viele Jahre zu kämpfen gehabt hat, fragt man sich, ob man gut ist oder nicht. Aber in der letzten Saison habe ich viel darüber nachgedacht und das visualisiert (gute Rennen), bin dann in einen guten Flow gekommen und habe mein Selbstvertrauen wiedergefunden.“ Fragt man sie nach ihren Zielen für diese Saison, liegt für sie der Fokus auf dem Sieg im Gesamtweltcup, weil „man da die gesamte Leistung von November bis März sieht.“

 

Herausforderer: Hanna, Doro und Lisa Theresa

Ende der letzten Saison trennten nur acht Punkte Hanna Oeberg, Dorothea Wierer und Lisa Theresa Hauser, die zwei, einen und zwei Siege verbuchen konnten. Für Oeberg war es das zweite Jahr in Folge auf Platz vier, die Italienerin verschlechterte sich von eins auf fünf und Hauser machte von achtzehn auf sechs einen großen Sprung nach vorn. Alle könnten sich in diesem Jahr verbessern, aber auch das Thema Peking 2022 wird für dieses Trio eine Rolle spielen, genauso wie für Eckhoff, Olsbu Roeiseland und Preuss.

 

Hanna Oeberg gewann bei den letzten Winterspielen Gold über 15 km und würde das natürlich gern wiederholen. Bei zwei Sprintsiegen in der letzten Saison sind ihre Chancen gestiegen, die nächste schwedische Siegerin im Gesamtweltcup zu werden. Oeberg hat ihre Laufleistung gesteigert, und kombiniert mit ihrer üblichen Trefferquote von 85 % sind das beste Voraussetzungen für ein gutes Jahr. Kürzlich sagte sie: „Was mich antreibt, ist dass ich besser werden will.“ Nachdem sie in der letzten Saison anfangs im gelben Trikot gelaufen war, wirkte sie gegen Ende der Saison müde. Von ihr dürfen wir ab Saisonbeginn zuverlässige Leistungen erwarten, einige ausgelassene Weltcups in Vorbereitung auf Peking und ein fulminantes Saisonfinale.

 

Dorothea Wierer war im letzten Jahr nicht mehr die gleiche Frau, die in den Saisons zuvor die große Kristallkugel mit heimgenommen hatte. Sie gestand ein, dass es wegen Ermüdung bei einem Sieg, zwei zweiten Plätzen und zwei dritten Plätzen geblieben war. Wierer schoss allerdings 2020/21 besser als in den zwei Saisons, in denen sie den Gesamtweltcup gewann und teilte sich punktgleich mit Hauser den Sieg in der Weltcup-Einzelwertung. Die Italienerin hat noch nie eine Einzelmedaille bei Olympischen Winterspielen gewonnen und würde gern noch eine dritte Medaille aus einer Mixed-Staffel mitnehmen, der Fokus liegt also auf dem Februar. Wierer ist eine Kämpferin, es wäre nicht überraschend, wenn sie wild entschlossen antritt um zu beweisen, dass die letzte Saison nur ein Ausrutscher war.

 

 

Konsistenz für Hauser

Für Lisa Theresa Hauser war die Saison 2020/21 die eine magische Saison, von der sie seit Jahren geträumt hatte. Zu Beginn der Saison hatte sie noch nie im BMW IBU Weltcup auf dem Podest gestanden. Mitte März konnte sie stolz auf sieben Podestplätze, zwei Siege und eine IBU WM-Goldmedaille zurückschauen. „Ich freue mich sagen zu können, dass kein Rennen dabei war, das wirklich schlecht war. Es war echt cool, dass ich mich in jedem Rennen gut gefühlt habe.“ Hauser war auf der Strecke stärker als je zuvor und schoss dann am besten, wenn es darauf ankam. Mit 20 Schuss und 20 Treffern wurde sie IBU Weltmeisterin im Massenstart. Sie weiß, worauf es ankommt, wenn sie das nächste Level erreichen will. „Ich habe beim Training im Sommer fast jeden Tag an die letzte Saison gedacht. ... Ich habe versucht, beim Schießen konstanter zu werden, weil ich im Dezember schlecht geschossen habe, dann zwei Monate gut war und im letzten Trimester unter meinem Niveau. ... Man muss null oder eins schießen, nicht mehr. ... Mein Hauptziel ist es, die ganze Saison über konstant zu sein, am Schießstand und auf der Strecke.“ Mit diesem Ansatz dürfte Hauser im Kampf um das gelbes Trikot und die große Kristallkugel ganz vorne mitmischen.

 

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Noch mehr Frauen mit Potential

Talentierte Starterinnen gibt es im Feld der Frauen im Überfluss. Da ist die aufstrebende junge Belarussin Dzinara Alimbekava, Eckhoffs beste Freundin Ingrid Landmark Tandrevold, die die letzte Saison mit einem atemberaubenden Sieg im Massenstart von Östersund beendete, und die Weltmeisterin im 15 km Einzel Marketa Davidova, die mit ihren kaum bemerkten Verbesserungen am Schießstand und ihrem bekannt rasanten Tempo das Feld im kommenden Winter durcheinanderwirbeln könnte.  Auch Denise Herrmann wollen wir nicht vergessen, die eine Kandidatin für mehrere Siege ist, wenn sie auf der Strecke ihr halsbrecherisches Lauftempo wiederfindet. Anais Chevalier Bouchet trumpfte nach der Rückkehr aus ihrer Elternzeit in der letzten Saison mit zwei IBU WM-Medaillen auf, während ihre Mannschaftskameradin Julia Simon sich mit zwei makellosen Massenstartsiegen und einem sehr überzeugenden Sieg bei der Saisoneröffnung in Sjusjoen profilierte. Die Außenseiterin könnte Elvira Oeberg sein, die bei der schwedischen Saisoneröffnung in Idre mit beeindruckenden Laufleistungen und 28 Treffern auf 30 Schuss beeindruckte. Sie alle haben bei jedem Rennstart Chancen auf einen Podestplatz.

 

Einzeldisziplinen: Top 3 der Favoriten

 

Sprint

Ganz klar: Mit sicherem Schießen und fulminantem Lauftempo ist Tiril die Top-Favoritin Olsbu Roeiseland landet mühelos auf Platz zwei, Herrmann hat das Format, um mit den zwei Norwegerinnen mitzuhalten.

 

Verfolgung

Auch hier führt Eckhoff, die nach Sprintsiegen meist noch den Verfolger abräumt. Olsbu Roeiselands gnadenlose letzte Runde ist perfekt für den Verfolger. Preuss ist mit ihrem Selbstvertrauen und unbeirrbarem Stehendschießen die Dritte im Bunde.

 

Einzel

Oeberg dürfte ihre Führungsrolle hier verteidigen. Wierer mit insgesamt fünf Siegen wird sich mit dem schwedischen Star anlegen, während Hauser genau die richtige innere Einstellung für dieses Wettschießen hat, bei dem zwischendurch Ski gelaufen wird.

Massenstart

Preuss liebt diese Disziplin und hat beste Chancen auf die Kristallkugel. Die enigmatische Simon kann auf den letzten Kilometern unbezwingbar sein. IBU-Weltmeisterin Hauser hat die Trefferquote, um ihrer guten Freundin Preuss die Siege streitig zu machen.

Wer das Feld der Frauen beherrschen wird, zeigt sich in acht Tagen!

Fotos: IBU/Christian Manzoni

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