Experten-Ecke: Erik Lesser zum Total Score-Showdown

Als ehemaliger Olympiasieger und Weltmeister in der Staffel und jetziger ARD-Experte mit scharfem Auge blickt Erik Lesser zurück auf die BMW-IBU-Weltmeisterschaften in Lenzerheide und voraus auf die spannenden Zweikämpfe in der Gesamtwertung, wenn der BMW-IBU-Weltcup in sein letztes Trimester in Nove Mesto na Morave in Tschechien geht. Kann Sturla Holm Laegreid JT Bö auf Distanz halten und seine erste große Kristallkugel gewinnen? Wird sich Preuß im Rennen um den Frauentitel gegen Jeanmonnot durchsetzen? Und warum hält Lesser Océane Michelon für die Favoritin in der U23-Wertung?

Die BMW-IBU-Weltmeisterschaften in Lenzerheide boten viele historische Momente und unerwartete Überraschungen. Während Johannes Thingnes Bös Rekorde und Franziska Preuß‘ lang ersehnter Weltmeistertitel für viele die prägenden Bilder bleiben werden, fand ich Campbell Wrights zwei Silbermedaillen ebenso beeindruckend. Sein Wechsel in das US-Team hat sich eindeutig ausgezahlt.

Franziska Preuß trug als Motor des deutschen Teams zu vier der fünf Medaillen bei und sicherte sich ihren ersten WM-Titel in der Verfolgung. Ihre Konstanz während der gesamten Saison gab ihr das Selbstvertrauen, in Lenzerheide zu Höchstleistungen aufzulaufen. Sie musste sich nicht überanstrengen, sondern ihre Rennen nur zu ihren eigenen Bedingungen durchführen, um ihren Erfolg zu festigen. Als ehemaliger Teamkollege kann ich sagen, dass das deutsche Männerteam nach einem wackeligen Start in der zweiten Woche eine deutliche Verbesserung zeigte. Dass sie sich von den anfänglichen Schwierigkeiten erholen konnten, beweist ihren starken Willen und ihr Vertrauen in den Prozess. Wir wussten, dass sie im Training gut geschossen hatten, und in der Staffel hat es dann geklappt.

Header iconThis Week In Biathlon 2024/2025 - Experts' corner Nove Mesto na Morave: Erik Lesser

Frankreich dominierte die Meisterschaften, gewann 13 Medaillen, darunter sechs goldene, und verpasste das Podest nur im Massenstart der Männer. Dieser Erfolg ist das Ergebnis eines gut strukturierten Entwicklungsprogramms, das junge Talente wie Eric Perrot mit erfahrenen Champions wie Justine Braisaz-Bouchet, Julia Simon und Quentin Fillon Maillet verbindet. Dieses Gleichgewicht ermöglicht es den aufstrebenden Athleten, unter weniger Druck zu reifen, während erfahrene Skitechniker für optimale Leistungen bei wichtigen Rennen sorgen. Wenn die Skivorbereitung stimmt, ist Frankreich heutzutage in fast jeder Disziplin eine Medaille sicher.

Johannes Thingnes Bö und Tarjei Bö haben ihre letzten Weltmeisterschaften mit starken Leistungen abgeschlossen. Trotz Johannes‘ offensichtlichen Formtiefs nach seiner Rücktrittsankündigung in Ruhpolding lieferte er ab, als es am wichtigsten war. Johannes lässt nie andere einfach gewinnen. Es ist daher unwahrscheinlich, dass er in den letzten Weltcup-Wochen nachlässt – eher wird er sich noch mehr ins Zeug legen, um die Saison als bester Athlet zu beenden. Zwar führt Sturla Holm Laegreid derzeit die Gesamtwertung an, doch das könnte sich noch vor dem Massenstart in Oslo ändern. Sturlas Sieg über Johannes im Schlusssprint des Massenstarts in Lenzerheide mag Sturla einen leichten psychologischen Vorteil verschafft haben, aber meiner Meinung nach hat das Johannes nicht wirklich beeinträchtigt. Er wird weiter unermüdlich den Gesamtsieg anstreben.

In der Gesamtwertung der Frauen war Preuß in Lenzerheide besser als Lou Jeanmonnot, aber nicht so deutlich, wie der Blick auf den Medaillenspiegel vermuten lässt. Franzi war im Sprint und in der Verfolgung besser, Jeanmonnot lag in Lenzerheide im Einzel- und Massenstart vor Preuß. Es bleibt ein knapper Kampf, der Unterschied zwischen beiden ist minimal. Der Neustart des Weltcups in Nove Mesto wird von immenser Bedeutung sein – wenn Preuß starke Skier hat und dort gut abschneidet, könnte das der nötige Ansporn sein, um am Ende der Saison das gelbe Trikot zu tragen. Ruhe und Präzision werden entscheidend sein.

Bei den U23-Frauen ist die Konkurrenz ebenso groß: Selina Grotian muss sich gegen Océane Michelon, Maren Kirkeeide und Jeanne Richard behaupten. Grotians Potenzial ist unbestreitbar, insbesondere ihre überzeugenden Leistungen im Stehendanschlag. Allerdings muss sie ihr Liegendschießen verbessern, um ihre Chancen zu maximieren. Michelon führt derzeit, und wenn sie sich in der Pause nicht zu sehr entspannt, bleibt sie die Titelfavoritin. Sie war in Lenzerheide konstant stark auf den Skiern und erreichte nach zwei Wochen mit großen körperlichen Anstrengungen ihren Formhöhepunkt.

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