Der Start ins Jahr 2025 lief anders als erwartet, mit ersten Podestplätzen für Maren Kirkeeide, Milena Todorova und Paula Botet, die gleich einen Sieg einholte. Aber da ich Biathlon aufmerksam verfolge, war ich nicht zu überrascht. Todorova habe ich schon länger im Blick. Ich weiß, dass sie im Sommer sehr effektiv trainiert hat. Ich hätte mit einem Platz in den Top 6 gerechnet, vielleicht nicht in den Top 3. Was Botet angeht, kannte ich ihre Mutter (Veronique Claudel), weil wir in derselben Zeit aktiv waren, aber Paula nicht. Aber die Franzosen zaubern immer wieder Toptalente aus dem Hut.
Maren Kirkeeide ist ein neuer Star für Norwegen. Sie ist als Athletin sehr clever, geht ihre Entwicklung Schritt für Schritt an. Ich wusste, dass sie das Zeug zur Weltklasse hat, aber - ganz ehrlich - diese zwei Podestplätze haben mich auch überrascht. Zu Rennbeginn fehlt ihr oft noch ein bisschen das Tempo, aber sie bringt die Rennen überzeugend zu Ende, die Trefferquote im Stehendschießen ist prima und die letzten Runden sind in der Regel schnell. Ich denke, Maren hat beim Lauftempo noch viel Entwicklungspotential. Sie kann derzeit noch nicht mit den Schnellsten - Elvira Öberg, Justine Braisaz-Bouchet - mithalten.
Die Norweger hatten im Sprint von Oberhof Schwierigkeiten mit den windigen Bedingungen und haben nicht viel getroffen. Dass es nicht ein Athlet aufs Podest schafft ist unter ihrem üblichen Niveau. Aber mit gleich drei Podestplätzen im Verfolger haben sie mich überrascht. So einen starken Rückschlag gegen die französische Mannschaft hatte ich nicht erwartet. Ich wusste, was Johannes drauf hat, aber Tarjei hat mich erneut überrascht. Ich freue mich für ihn. Die gesundheitlichen Probleme liegen jetzt hinter ihm, und wir können sehen, was er körperlich noch zu leisten vermag, wenn er voll aufdrehen kann. Sturla ist zwar nicht so schnell wie manch anderer Athlet, aber er ist immer noch der beste Schütze im Biathlon. Er wird Johannes in den nächsten Wochen immer wieder herausfordern, auch in Ruhpolding gleich im 20 km Einzel.
Johannes war über Weihnachten eine Woche lang richtig krank, und doch hat er in Oberhof die schnellsten Laufzeiten abgeliefert. Das ist unglaublich! Ich habe noch keinen Athleten gesehen, der mit so wenig Training solche Leistungen erbringen konnte. Er ist ein hochintelligenter und selbstsicherer Athlet. Er ist auch der Athlet mit der größten mentalen Reife. Er weiß genau, was er kann und was sein Körper braucht. Wir haben auch die Athleten mit dem X-Faktor, die Johannes schlagen könnten. Manche schießen schneller, wie Martin Uldal. Manche haben schnellere Schlussrunden, wie Vebjörn Sörum. Manche haben oft schnellere Laufzeiten, wie Sebastian Samuelsson. Manche sind die besseren Sprinter, wie Endre Strömsheim. Wir sehen, dass die ganze französische Mannschaft ihn herausfordert. Und doch setzt sich Johannes am Ende meistens durch.
Wie bei den Männern die Norweger dominierten bei den Frauen die Französinnen den Weltcup und IBU Cup. Sie haben vier, fünf, sechs superstarke Athletinnen. Ich weiß nicht, was ihr Geheimnis ist - es muss an der Tiefe ihres Talentpools liegen.
Franziska Preuss, die die Gesamtwertung immer noch anführt, hatte mit ihrer späten Startnummer bei den nassen Bedingungen im Sprint in Oberhof deutlich zu kämpfen und konnte auch im Verfolger nicht viel wiedergutmachen. Ich denke, dass sie in Ruhpolding wieder in ihrer Dezemberform sein wird. Sie kennt Ruhpolding wie ihre Westentasche, weil sie dort trainiert. Der Druck wird groß sein, aber damit müssen die deutschen Athletinnen und Athleten zurechtkommen. Ich sehe sie immer noch als die Top-Favoritin für den Sieg in der Gesamtwertung.
Eine meiner schönsten Erinnerungen an Ruhpolding sind die IBU Juniorenweltmeisterschaften dort, als ich 18 war und drei Titel holte. Die Gegend war komplett verschneit und die Stimmung unvergesslich. Aber ich habe auch eine eher enttäuschende Erinnerung an diese Zeit. Ich war der Top-Favorit für den Sprint, hatte alle 10 Scheiben getroffen und hätte den Sieg locker holen sollen. Leider hatte ich am Abend vor dem Rennen etwas Schlechtes gegessen – eine Gulaschsuppe, die sechs Stunden lang in der Küche herumgestanden hatte, die war auch gar nicht aus der norwegischen Mannschaftsküche. Deswegen war ich dann am nächsten Tag im Rennen völlig geschlaucht. Ich habe auf der letzten Runde 28 Sekunden verloren und danach einen mentalen Zusammenbruch erlitten.