30 Jahre IBU: Coaching mit Wolfgang Pichler

Wolfgang Pichler ist eine Art "Dekan der Biathlon-Trainer" – seine Karriere reicht bis in die frühen 90er Jahre und zur Gründung der IBU im Jahr 1993 zurück, und seitdem hat er eine lange Liste von Olympia- und Weltmeisterschaftsmedaillengewinnern betreut, darunter Jens Steinegen, Magdalena Forsberg, Anna Carin Olofsson, Helena Ekholm, Bjorn Ferry, Hanna Öberg und Sebastian Samuelsson.

"Unglaublich, wie sich alles verändert hat"

"Der Biathlon hat sich in den letzten 30 Jahren so sehr verändert. Es ist unglaublich, wie sich alles verändert hat. Biathlon war ein wirklich kleiner Sport, und das war unser Glück. Wir waren immer dazu bereit, etwas zu verändern. Zweitens: In der IBU hat jede Nation nur eine Stimme, daher arbeiten wir immer zusammen. Durch die Zusammenarbeit haben wir den Sport groß gemacht. Wenn wir nicht zusammengearbeitet hätten, gäbe es die Mixed-Staffeln nicht. Dadurch konnten die kleineren Nationen in den Staffeln wettbewerbsfähig sein. Ein Sieg in der Mixed-Staffel bedeutet heute viel, aber die Mixed-Staffel ist auch am schwierigsten zu gewinnen. Und all die anderen Sportarten wie Leichtathletik und Schwimmen haben es uns mit diesen gemischten Wettkämpfen gleichgetan."

Bedeutung der Gesamtpunktzahl

In einer Zeit, in der es viele Trainerspezialisten für alles gibt, vom Dehnen über die Ernährung bis zum Schießen, denkt Pichler an die Zeit vor dreißig Jahren zurück, als Coaching "viel einfacher war. 1992/93 hatten wir all diese Unterstützung noch nicht. Wir hatten eine Videokamera und Laktattests. Die Weltcup-Gesamtwertung wurde eingeführt und sehr wichtig, sodass man den gesamten Trainingsplan ändern musste. Davor hatte man wirklich nur für die Weltmeisterschaften trainiert, aber mit dieser neuen Organisation, der IBU und dem Fernsehvertrag, war plötzlich die gesamte Weltcup-Saison wichtig."

Die IBU-Akademie und neue Trainer

Pichler ist der Meinung, dass die Trainerriege professioneller geworden ist und immer professioneller wird. Trainer kommen von Trainerakademien in ihrem Heimatland, aber nicht alle haben diese Möglichkeit. Die neue IBU-Akademie füllt eine wichtige Lücke, von der der Sport langfristig profitieren wird. "Es ist wirklich schwer, gute Trainer zu finden. Jetzt machen wir mit der IBU-Akademie den ersten Schritt. Viele Nationen haben keine Trainerschule. Einigen Leuten fehlen daher die Grundlagen. Nach der Ausbildung braucht man praktische Erfahrung. Nachdem man eine gewisse Erfahrung gesammelt hat, braucht man ein zweites Level, mit Mentoring. Man kann viel Theorie lernen, aber dann kommt die Erfahrung. Zu sehen, wie ein Trainer mit zehn Sportlern umgeht, ist ein wichtiger Teil der Lernerfahrung; Disziplin und Ordnung zu schaffen lernt man durch Erfahrung, nicht in der Schule. Man muss sowohl das Training als auch die Wettkampfvorbereitung beherrschen, und das kann man nur mit Erfahrung... Ich glaube, die Akademie ist eine wirklich gute Sache, aber es braucht Zeit. Die Ergebnisse werden wir in 10 Jahren sehen".

Neben dem Curriculum der Akademie weist Pichler dem Mentoring eine große Bedeutung bei: "Ein erfahrener Trainer sollte dem Trainingslager einer Nation als Beobachter beiwohnen. Am Abend könnte man dann beurteilen: 'Das war gut, das war nicht so gut und vielleicht kann man das noch verbessern'. Junge Trainer müssen lernen, die richtigen Dinge zur richtigen Zeit zu sagen. In der letzten Runde kann man dem Athleten zum Beispiel sagen, dass er 5 Sekunden zurückliegt, was positiv ist, oder man kann etwas Negatives sagen: 'Du liegst auf Rang 70'. Es ist wirklich wichtig, die Leute mental aufbauen zu können, denn manchmal liegen nur fünf Sekunden zwischen einem guten Ergebnis und einem Superergebnis."

Leidenschaft

Mit Blick auf diese neue Generation von Trainern räumt Pichler ein, dass eine Eigenschaft entscheidend ist: Leidenschaft. "Das ist ihr größtes Kapital. Wenn man das nicht hat, kann man es vergessen. Das ist bei jedem Job so."

"Ich habe dafür gekämpft, den Sport besser zu machen"

Pichler hatte schon eine Leidenschaft für den Biathlon, bevor er Trainer wurde, und währt bis heute, wo er in der IBU-Akademie einen Teil seines Wissens weitergibt. "Mein ganzes Leben dreht sich um diesen Sport. Als Kind habe ich Tennis gespielt, dann kam ich zum Langlauf und zum Biathlon. Das war mein Leben. Meine Frau ist wütend auf mich, weil es immer um Sport geht. Schweden war eine kleine Nation, die wie viele andere kein Geld hatte, und es schien, als würden die großen Nationen den Sport für sich beanspruchen. Im Laufe der Jahre haben wir oft gegen einige der Entscheidungen gekämpft. Bei den Trainerbesprechungen herrschten oft kriegsähnliche Zustände, aber am Ende standen gute Ergebnisse... Wir haben immer dafür gekämpft, den Sport besser zu machen. Ich war schon immer ein Mensch, der für das kämpft, woran er glaubt. Dabei ging es nie um etwas Persönliches, es ging immer um das Wohl des Sports. Am Ende, nach 30 Jahren, haben wir so viel erreicht. Diese Fernsehverträge waren ein Glück für den Biathlon. Alle Rennen werden übertragen, und das machte es leichter, Preisgelder einzutreiben und neue Rennen wie den Massenstart und die Mixed-Staffeln zu entwickeln. Biathlon ist die Sportart schlechthin, bei der die Trainer den Sport beeinflusst haben."

Hoher Standard bei Veranstaltern und Austragungsorten

Einen großen Anteil am Wachstum des Biathlonsports in den letzten dreißig Jahren haben die Veranstalter und ihre Austragungsorte. "Angefangen hat alles mit den drei traditionellen Austragungsorten Oberhof, Ruhpolding und Antholz. Sie setzten einen hohen Standard und etablierten diese riesigen Veranstaltungen und ein System, dem die anderen folgen konnten, und zeigten Orten wie Nove Mesto und Annecy, wie es geht. Jetzt wird Lenzerheide erwachsen und Annecy ist super! Hochfilzen, Kontiolahti und Östersund sind alle besser geworden, und alle haben davon profitiert".

Der 68-jährige Pichler ist sich sicher, dass sich Biathlonsport und IBU weiterentwickeln werden. "Wir haben eine tolle Entwicklung hingelegt, aber die Frage ist, was kommt als nächstes? Wir müssen offen sein für neue Ideen. Das war schon immer eine unserer Stärken."

"Die Aufgabe des Trainers ist es, die Einstellung aufrechtzuerhalten"

Was die Trainer betrifft, so gibt Wolfgang Pichler zu, dass sich eine Sache in den letzten 30 Jahren nicht geändert hat. "Sehen Sie nur all die Medaillen, die wir (Schweden) am Ende der Weltmeisterschaft gewonnen haben. Das ist Coaching. Es ist die Aufgabe des Trainers, die Einstellung aufrechtzuerhalten, den Athleten zu helfen, daran zu glauben. Der Trainer muss heute ein Psychologe sein – das ist heute so wichtig wie damals, als man allein war und keinerlei Unterstützung hatte."

Fotos: IBU/Christian Manzoni, Archive

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