Wenn die Tage langsam länger und wärmer werden, stehen für die Biathletinnen und Biathleten wieder Trainingseinheiten auf dem Plan, und im Nu beginnt schon der nächste Countdown bis zum Saisonstart im November. Für diejenigen, die sich beim Saisonabschluss am Holmenkollen in Oslo vom Sport verabschiedet haben, ist das alles schon ganz weit weg. Wir haben mit einigen von ihnen gesprochen, um mehr über den spannenden Neustart in ein Leben nach dem Biathlon zu erfahren. Den Anfangen machen der Kanadier Scott Gow w.biathlonworld.com/de/athlete/gow-scott/BTCAN10611199001und die Britin Amanda Lightfoot. Beide beendeten ihre sportliche Laufbahn nach Bestplatzierungen im BMW IBU Weltcup in der vergangenen Saison, und doch hatten keiner von ihnen Zweifel daran, dass es Zeit war, das Gewehr an den Nagel zu hängen.
BiathlonWorld: Wie seid ihr zu dem Entschluss gekommen, eure Karriere zu beenden?
Scott Gow: Ich wusste schon vor zwei Saisons, dass ich wahrscheinlich aufhören würde. Ich konnte mir nur schwer vorstellen, nach Peking noch 4 Jahre weiterzumachen, um Italien noch mitzunehmen, also war das Ende einer Olympia-Saison ein guter Zeitpunkt für den Ausstieg. Ich hatte auch das Gefühl, im Laufe meiner Karriere viel erreicht zu haben, was mir die Entscheidung ein wenig erleichtert hat.
Amanda Lightfoot: Es war eine schwierige Entscheidung, aber für mich der richtige Zeitpunkt für eine Veränderung. Ich wollte meinen Körper nicht mehr bis an seine Grenzen strapazieren und viele Stunden mit Training verbringen. Man könnte sagen, dass mir ein bisschen die Motivation gefehlt hat, weiterzumachen.
BW: Wie beängstigend ist es, das vertraute Biathlon-Umfeld zu verlassen? SG: Es ist auf jeden Fall eine Veränderung! Ich werde ab Herbst studieren, und ich habe mich besser und sicherer gefühlt, als ich dafür alles in die Wege geleitet hatte. Damit hatte ich eine neue Aufgabe für dieses Jahr. Es war ein komisches Gefühl, sich einen „normalen“ Job suchen zu müssen, aber ich habe zum Glück für den Sommer beim kanadischen Biathlonverband etwas gefunden.
AL: Für mich ist es nicht beängstigend – es gehen neue Türen auf. Wie in diesem Sprichwort: „Wenn sich eine Tür schließt, öffnet sich eine andere.“ Ich bin froh, dabei die Unterstützung der Britischen Armee zu haben.
BW: Wusstet ihr schon, wie es für euch nach dem Biathlon weitergehen soll? Wie habt ihr das entschieden?
SG: Ich hatte immer vor, an die Uni zu gehen und meinen Abschluss zu machen. Medizin fände ich spannend, und wenn das nicht klappt, mache ich Physiotherapie oder etwas anderes, was mit Bewegung zu tun hat. Das habe ich schon seit Jahren vor, damit war der Plan also klar.
AL: Für mich war schon immer klar, dass ich nach meiner sportlichen Karriere meine Laufbahn bei der Armee abschließen will. Also, nicht einfach nur abschließen, sondern dort auch aufsteigen und der Armee all das Wissen und die Fähigkeiten zur Verfügung stellen, die ich als Athletin erworben habe. Das möchte ich an die nächste Generation der Armee-Athletinnen und auch an junge Soldatinnen und Soldaten weitergeben, deren militärische Laufbahn gerade beginnt – ihnen ihre Möglichkeiten aufzeigen. Geschichte zu schreiben ist für viele ein Traum. (Lightfoot schaffte es in diesem Winter in Antholz als erste Britin in die Top 20 in einem Weltcuprennen, Anm. d. Red.) Ich bin überglücklich, dass mir das gelungen ist und ich die Latte für kommende Generationen höher legen konnte. Ich hoffe, dass sie sich an mich wenden und all mein Wissen abfragen und nutzen, um es bis an die Spitze zu schaffen. Ich freue mich auf neue britische Rekorde und neue britische Biathlon-Stars.
BW: Was ist das Beste daran, nicht über die nächste Saison nachdenken zu müssen?
SG: Das Beste am Ruhestand ist, dass der Stress weg ist. Ich habe keinen Stress mehr wegen der Rennen, verpasster Trainingseinheiten oder weil ich krank werden könnte! Biathlon hat viele tolle Seiten, aber man steht auch unter großem Druck, den Trainingsplan einzuhalten, Zeit mit Freunden und Familie zu opfern und natürlich die gewünschten Leistungen zu erbringen.
AL: Das Schönste ist, dass ich mit mir selbst nicht mehr so streng sein muss. Wenn ich trainieren will, trainiere ich, und wenn ich einen Tag ausfallen lassen will oder krank werde ... ist das NICHT das Ende der Welt.
BW: Und das Schwierigste?
SG: Das Beste am Ruhestand gleichzeitig aus das Schwierigste für mich. Klar ist der Stress manchmal groß, aber im Winter gibt es auch die Rennen, die jedes Opfer wert sind. Das Gefühl, nach einem harten Trainingsjahr ein Ziel erreicht zu haben, das ist durch nichts zu ersetzen. Das Training mit meinen Mannschaftskameraden wird mir auch fehlen. Man erlebt so viele tolle Geschichten zusammen, wenn man zusammen unterwegs ist und trainiert, und da bin ich jetzt außen vor.
AL: Meinen Kopf zu überzeugen, dass es wirklich okay ist nur 30 Minuten zu laufen und nicht zwei Stunden. ... Es wird auch schwierig werden, zu begreifen, dass ich nicht mehr an den Start darf, wenn ich nächstes Jahr die Rennen schaue, aber wenn ich dann sehe, wie die Athletinnen sich quälen, so wie ich das auch gemacht habe, dann wird sich das schnell wieder geben. Ich werde mir Popcorn holen und all meine Freundinnen anfeuern.
BW: Was hält die Zukunft jetzt für euch bereit?
SG: Ich werde jetzt noch mal einen Sommer arbeiten und die Berge in Canmore genießen. Dann werde ich nach Calgary ziehen, wo ich die nächsten Jahre leben werde, während ich studiere. Und danach ist noch alles offen!
AL: Momentan ist die Britische Armee meine Zukunft. Ich mag mein Corps und all die Chancen, die mir die Armee bietet, und ich freue ich auf den nächsten Lebensabschnitt mit meinem italienischen Ehemann.
BW: Werden wir euch bald beim Biathlon wiedersehen?
SG: Ich werde immer irgendwie dabeibleiben. Wo möglich will ich bei Vereinen vor Ort aushelfen, und beim IBU Cup im nächsten März bin ich auf jeden Fall dabei!!!
AL: Hoffentlich ja, aber definitiv nicht als Athletin! Ich mag die Management-Seite des Biathlon und bin auch ganz gut darin – vielleicht gibt es da für mich in der Zukunft eine Stelle bei der IBU oder einer anderen Mannschaft.
Photos: Deubert, Manzoni / IBU; Marcel Laponder