Harter Kampf um den Startplatz im Weltcup

Auf den ersten Blick wirkt es wie ein Luxusproblem: Bei den Norwegern und den Französinnen hat der Kader eine solche Breite und Tiefe, dass die Trainer aus 10 oder mehr Weltklasseathlet*innen wählen können, die in jedem Rennen realistische Chancen auf das Podest haben. Es gibt allerdings nur sechs Startplätze (im ersten Trimester sieben), was die Entscheidung schwierig macht und manchmal zu Unmut führen kann.

Die Norweger eröffneten die Saison 2024/2025 im finnischen Kontiolahti mit JT Bö, Tarjei Bö, Sturla Holm Laegreid, Vetle Sjaastad Christiansen, Johannes Dale-Skjevdal, Endre Strpemsheim und Vebjoern Soerum, die seitdem hart - aber immer sportlich fair - um Podestplätze und Weltcup-Punkte kämpfen, um den Platz im Weltcup-Kader zu verteidigen.

Ein Blick zurück auf die Weltcup-Gesamtwertung zum Ende der Saison 2023/2024 zeigt, wie gut der in Kontiolahti aufgestellte Kader war: Johannes Thingnes Bö hatte gewonnen, Tarjei war Zweiter, Dale-Skjevdal Dritter, Lägreid Vierter, Christiansen Fünfter, Stroemsheim Siebter und Sörum schaffte es auf Platz 26 (obwohl er die halbe Saison im IBU Cup verbracht hatte).

„Das ist für Trainer und Management Fluch und Segen zugleich,“ erklärt Per Arne Botnan, der norwegische Sportchef. „Der Konkurrenzdruck im Weltcup- und IBU-Cup-Kader ist enorm, da haben wird 12 oder 13 Athleten, die in jedem Rennen aufs Podest laufen könnten. Es ist nicht leicht, sich für den A-Kader zu qualifizieren, aber wenn man die Leistung dort bestätigt, hat man viele Chancen, dort zu bleiben. In erster Linie, indem man gewinnt.“

IBU-Cup: Um den Aufstieg kämpfen, den Abstieg vermeiden

Die Norweger im IBU-Cup-Kader hatten zum Saisonbeginn im schwedischen Idre Fjäll die vielleicht noch komplexere Herausforderung zu meistern: Im internen Vergleich – und damit in der Gesamtwertung im IBU Cup – mussten sie starke Leistungen liefern, und dabei den Weltcup-Kader im Auge behalten, ob jemand schwächelt und sich für den Besten aus dem B-Kader vielleicht eine Chance auftut. Dann bekommt man im Weltcup eine Woche lang die Chance, sich zu beweisen.

„Die Trainer der Weltcup- und IBU-Cup-Kader treffen sich jeden Montag, um die Form in den beiden Teams zu bewerten. Wir verschaffen uns einen Überblick darüber, wer im Weltcup nicht die Leistung bringt und wer im IBU Cup bereit ist für den Aufstieg. Siege sind dabei nicht das einzige Kriterium: Auch die Laufzeiten und die Trefferquote im IBU Cup müssen auf Weltcup-Niveau liegen. Es gibt keine festgeschriebenen Kriterien dafür, was einen Athleten für den Weltcup qualifiziert. Wir bauen auf Ergebnisse, Daten und die Einschätzung der Trainer.“

Was das Leben der norwegischen Biathleten im IBU Cup noch schwerer macht: Im norwegischen Landespokal laufen Dutzende Athleten, die auf einen Platz im IBU Cup lauern, um auch eine Chance auf Glanz und Ruhm zu bekommen.

„Die Regeln für die Qualifikation aus dem norwegischen Landespokal für den IBU Cup stehen fest. Die besten sechs Athleten aus dem norwegischen Landespokal treten im IBU Cup an.“

Die harte Realität der norwegischen Biathleten

Im ersten Trimester 2023/2024 lieferte Johan-Olav Botn gigantische Laufzeiten im IBU Cup ab. Er lief schneller als alle Athleten im Weltcup, Johannes Thinges Bö eingeschlossen. Die Führung in der IBU-Cup-Gesamtwertung brachte ihm einen Startplatz beim Weltcup in Oberhof ein. Das Kriterium, um im A-Kader zu bleiben? Podestplätze in Sprint und Verfolgung, sonst Rückkehr in den IBU Cup.

Botn bewies seine Laufstärke und schaffte die schnellste reine Laufzeit im Sprint – verfehlte aber viermal und absolvierte vor lauter Hektik auch noch fünf Strafrunden. Er kehrte zurück in den IBU Cup und bekam in den letzten zwei Weltcup-Wochen in den USA und Kanada eine neue Chance, wo er die Plätze 3, 10, 7 und 5 belegte. Das sollte doch reichen, um in der Saison 2024/2025 im Weltcup zu starten? Nein! Botns Saison begann wieder einmal im IBU Cup, und nach zwei Wochen war es diesmal Martin Uldal, der die Gesamtwertung anführte und in Hochfilzen Dale-Skjevdal ersetzen durfte, der in Kontiolahti die schlechtesten Leistungen gebracht hatte.

Uldal nutzte die Chance, holte in Österreich einen siebten Platz im Sprint und einen fünften Platz in der Verfolgung, um dann in Annecy-Le Grand Bornand einen Sprintsieg aus dem Hut zu zaubern und seinen Platz im Weltcup-Kader zu zementieren. Im Tausch musste Tarjei Bö auf Sprint und Verfolgung in Frankreich verzichten, meldete sich aber mit einem Massenstartsieg zurück und rettete seine Saison. Als die Norweger zu Beginn des zweiten Trimesters gemäß der IBU-Regeln einen Starter streichen mussten, wurde der sieglose Christiansen als sechstbester Norweger in der Gesamtwertung nach Hause geschickt. Stroemsheim lag in der Wertung hinter ihm, aber der Sieg im Kurz-Einzel zu Saisonbeginn rettete ihm den Weltcup-Startplatz.

Botnans Fazit: „Der Konkurrenzdruck bedeutet Stress für die Athleten. Niemand kommt in den Genuss, sich in Ruhe auf die Weltmeisterschaften oder die Olympischen Winterspiele vorzubereiten. Aber so ist man bereit, Bestleistungen abzuliefern, wenn man aufgerufen wird.“

Konkurrenzdruck in der französischen Frauenmannschaft ähnlich hoch

Die Französinnen stellten zu Saisonbeginn 2024/2025 im finnischen Kontiolahti Lou Jeanmonnot, Julia Simon, Justine Braisaz-Bouchet, Sophie Chauveau, Gilonne Guigonnat, Jeanne Richard und Oceane Michelon auf.

Simon ist die Gesamtweltcup-Siegerin von 2022/2023, Jeanmonnot wurde im letzten Winter Zweite, Braisaz-Bouchet ist Olympiasiegerin, Richard lieferte im letzten Winter in Oberhof eines der besten Weltcup-Debüts ab, Michelon gewann 2023/2024 die Gesamtwertung im IBU Cup und Chauveau und Guigonnat standen im letzten Winter beide zum ersten Mal im Weltcup auf dem Podest.

Im IBU Cup stellte das französische Team zu Saisonbeginn 2024/2025 Chloe Chevalier auf, die über den Sommer die beste Leistung gezeigt hatte, dazu Paula Botet, die nach einer Saison mit Bein-Problemen wieder auf dem Damm war, Ex-Weltklasse-Juniorin Camille Bened und die hochtalentierte Voldiya Galmace Paulin. Guigonnat war die erste, die aus dem Weltcup zurück in den IBU Cup geschickt wurde. Trotz eines zweiten Platzes im Sprint von Hochfilzen musste Chauveau ihren Startplatz an Botet abgeben, die die IBU-Cup-Wertung anführte und dann direkt in Oberhof den Sprint gewann. Chevalier erschien der Weg in den Weltcup plötzlich sehr (zu) steinig, und sie verabschiedete sich ganz aus dem Biathlon.

Französische Juniorinnen machen schnell Fortschritte

Derweil bekam Amandine Mengin eine Chance, im IBU Cup zu starten und gewann bei ihrem Debüt am Arber gleich zwei Rennen, sodass Galmace Paulin und sie nun jeder Weltcup-Athletin vielleicht mit Ausnahme von Jeanmonnot Konkurrenz machen können.

„In den letzten Jahren haben wir in Frankreich eine Reihe von spannenden Wettkämpfen im Jugendbereich aufgezogen. Es ist unglaublich, wie viel Nachwuchs da kommt. Unsere Frauen-Kader im Weltcup und IBU Cup sind enorm stark besetzt, und im A-Kader ist jetzt ein Platz frei. Bevor wir eine Athletin aus dem B-Kader auswählen, ziehen wir viele Dinge in Betracht: Siege, Podestplätze, Laufzeiten, Trefferquoten und die Berichte der Trainer*innen. Botet hat sich ihre Chance mit konstant guten Leistungen im ersten Trimester im IBU Cup verdient. Aber der Sprintsieg in Oberhof ist keine garantiertes WM-Ticket für Lenzerheide. Auch Chauveau kann sich noch qualifizieren,“ erklärt Cyril Burdet, Cheftrainer der französischen Frauen.

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