Viele Menschen hätten den Sport wohl aufgegeben, wenn sie in Hofers Schuhen gesteckt hätten. Aber Aufgeben ist einfach nicht seine Art. Mit seinen Weltcupsiegen und zwei olympischen Medaillen ist der lebensfrohe Südtiroler hart im Nehmen und beißt sich durch.
Hofer hofft, dass mit den letzten OPs jetzt alle Probleme behoben sind, die seine Biathlon-Karriere ausgebremst haben. „Ich hoffe, damit ist jetzt alles gelöst, insbesondere bei meiner linken Schulter, die war am Schlimmsten. Ich muss manchmal noch mit meiner Bizepssehne aufpassen, aber der Rest ist geregelt. Das ist ein gutes Gefühl für mich. Das andere Problem mit den Schienbeinsehnen ist sehr merkwürdig, weil ich da noch nie Probleme gehabt habe. Aber ich gehe jetzt keine Risiken ein (angepasstes Training, viele Jogging-Einheiten im Wasser mit Auftriebshilfe).“
Über seine gesundheitlichen Probleme sagt er: „Ich hätte nie geahnt, dass man sich so oft verletzen kann, vor allem nach Corona. Es war als würde eine Welle die nächste jagen. Ohne Johannes (Lukas) wäre ich jetzt nicht hier. Er und ich haben so viel Energie investiert, vor der letzten Saison und jetzt.“
Nachdem er als Schlussläufer mit der italienischen Männerstaffel im vergangenen Februar Siebter geworden war landete, dachte der 34-Jährige, seine Karriere sei vorbei. „Es war sehr knapp. Ich bin die Staffel gelaufen als wäre es meine letzte. Ich war an dem Punkt angekommen, an dem ich nicht mehr wusste, ob ich mich wieder erholen und alle Probleme beheben kann. Ich habe mir gesagt, wenn ich wieder in normale Form kommen und der normale Luki sein kann, mache ich weiter.“
Mit dem Gedanken fuhr er nach Hause, um sich zu erholen und über nächste Schritte nachzudenken. „Nach den Knie-OPs und den anderen Sachen habe ich dann gedacht, wir fangen bei Null wieder an und versuchen Schritt für Schritt wieder in Form zu kommen. Mitte des Sommers habe ich gemerkt, dass mein Körper gut darauf anspricht, vor allem Puls und Laktatwerte. Da habe ich mit Johannes gesprochen und gesagt: ‚Aufgeben ist nicht meine Art. Das bin nicht ich. Meine Mutter und mein Vater haben mir beigebracht, es so lange weiter zu versuchen, bis es wirklich aussichtslos ist.‘ Das war der wichtigste Punkt. Ich habe entschieden, nach vorn zu schauen und zu versuchen, wieder in meine alte Form zu kommen, nachdem ich mir die ganze Mühe schon gemacht habe.“
Die Schulter-Reha im letzten Frühjahr war hart. „Ich wusste nicht ob sie gut heilen würde oder ob es Probleme geben würde. Ich habe mir viele Sorgen gemacht, bis ich mit einem Psychologen und Mentaltrainer gesprochen habe, der gesagt hat: ‚Denk einfach an die guten Dinge. Denk an den bestmöglichen Ausgang.‘ Das hat meine innere Haltung verändert und ich hatte das Gefühl, alles wird gut. Danach hatte ich kein Problem damit, Mitte des Sommers beim gleichen Chirurgen die zweite OP anzugehen. Zehn Tage später saß ich wieder auf dem Rad. Ich bin mir sicher, ich wäre nicht hier, wenn ich nicht begriffen hätte, wie wichtig der mentale Aspekt ist.“
Hofer freut sich, wieder bei seiner schwedischen Adoptiv-Mannschaft zu sein. „Ich war so lange zuhause, dass mir die schwedische Mannschaft wirklich gefehlt hat. Als ich sie (2022) zum ersten Mal traf, haben sie mich aufgenommen, als wäre ich schon immer dabei gewesen. Das war großartig. Alles war neu und ich war ein bisschen nervös, aber die Atmosphäre war familiär und angenehm.“
Der schwierigste Teil daran, in der letzten Saison so viel zu verpassen, war „die anderen Rennen laufen zu sehen. Ich war in Idre (im November 2022) richtig gut in Form und habe mich jeden Tag mit Samuelsson und Ponsiluoma duelliert. Dann habe ich Ponsi in Kontiolahti siegen sehen, das war echt ein Tiefschlag. Danach habe ich den Fernseher lange nicht mehr eingeschaltet.“
Eine große Lektion lernte Hofer in seinem Comeback-Sommer, den er überwiegend auf dem Rennrad verbrachte. „Mir ist klar geworden, wie hart man als Profi-Rennradfahrer trainieren muss, mit den ganzen Intervallen und Schwellentraining. Manchmal bin ich vom Rad gestiegen und es hat noch eine halbe Stunde gedauert, bis ich mich wieder normal gefühlt habe.“
Eine weiteres positives Ergebnis von Hofers angepasstem Trainingsplan zeigte sich am Schießstand. „Da war positiv, dass ich mich auf Details konzentrieren und den Fokus an unterschiedlichen Tagen separat auf Liegend- oder Stehendschießen legen kann. Auch wenn ich vielleicht weniger schieße als in anderen Jahren, treffe ich mehr. Die Qualität ist wichtiger als die Quantität.“
Über seine italienischen Mannschaftskameraden, die meist zehn Jahre jünger sind, sagt Hofer: „Ich bin so stolz, weil das zeigt, dass die Arbeit aus der Zeit als Dorothea (Wierer) und ich uns hochgearbeitet haben viele junge Leute inspiriert hat, Biathleten zu werden. Jetzt wachsen sie heran, trainieren hart und durchlaufen dieselben Phasen wie wir damals.“
Zur bevorstehenden Saison: „Ich hoffe, dass ich voll trainieren kann, wenn ich erstmal auf Skiern stehe, und dann die Leistung auf dem Rennrad und aus den anderen Einheiten abrufen kann, um in die gleiche Form wie letzten November zu kommen, und damit bereit zu sein für den Weltcup.“
Ein Ziel gibt es noch für Lukas Hofers Rückkehr zum Biathlon: Die Biathlon-Rennen bei Mailand-Cortina 2026 in seinem Heimstadion in Antholz. „Definitiv, keine Frage. Bevor der Zuschlag kam, wollte ich meine Karriere am selben Ort beenden, wo sie begann: In Oberhof. Dann kam die Zusage für die Winterspiele. Nicht viele Athleten haben eine Heim-WM und eine Heim-Olympiade. Wenn ich die Leistung bringen kann, sage ich noch zweimal ‚ein Jahr noch‘ und dann stehen die Winterspiele vor der Tür. Aber wir werden sehen...“
Fazit: Lukas Hofer ist immer für ein Comeback gut.
Fotos: IBU/Christian Manzoni, Jerry Kokesh, Nordic Focus/Leo Authamayou