22 Jahre nach dem Juniorenweltmeistertitel im Einzel 2002 blickt Eder zurück auf 508 Weltcupstarts. Nur Ole Einar Björndalen hat mehr geschafft. In seiner langen Laufbahn hat er zwei olympische Silbermedaillen mit Staffeln gewonnen und 41-mal auf dem Podest gestanden, davon neunmal in Single-Mixed-Staffeln.
An einem trüben, grauen Herbstnachmittag nimmt sich Eder nach einer „entspannten, erholsamen“ Skiroller-Runde auf den anspruchsvollen Strecken in Hochfilzen die Zeit für einen Kaffee und ein Gespräch über Motivation, Podestplätze und 2026.
Biathlonworld: Hättest du dir damals, Mitte der 2000er, vorstellen können, dass du 2024 immer noch im Weltcup mitläufst und eventuell 2026 zu deinen fünften Winterspielen antreten könntest?
Simon Eder: Ich denke schon, weil mein Vater Alfred Eder das auch gemacht hat. Er ist 1995 (mit 41) bei den Weltmeisterschaften angetreten. Als ich zwanzig war, wusste ich, dass ich das liebe, Sportler zu sein, Biathlet zu sein. Mein großes Ziel war, bis 2018 Rennen zu laufen. 2020 habe ich auf 2022 gehofft, aber alles danach ist nur noch Bonus! Wir werden sehen, wie lange das noch geht.
BW: Das Schießen ist und bleibt deine große Stärke. Arbeitest du heute noch so viel am Schießen wie vielleicht vor zehn Jahren?
SE: In den letzten zwei Jahren schon. Ich habe etwas an meiner Schießtechnik geändert, dass die Norweger erfunden haben, um im Stehendanschlag schneller zu werden. Das zu meistern hat länger gebraucht als ich dachte. In diesem Sommer hat es gut geklappt, und ich hoffe, in dieser Saison dadurch einen Vorteil zu haben. Was ein Schießtempo wie das von Johannes Thinges Bö angeht, der schießt üblicherweise auf Bahn 1. Wenn ich neben ihm schieße, ist es auf jeden Fall eine gute Saison für mich!
BW: Jeder wird mit dem Alter ein bisschen langsamer. Machst du irgendetwas Besonderes, um dem Zahn der Zeit entgegenzuarbeiten?
SE: Ich glaube nicht, dass ich so viel langsamer geworden bin. In meinen besten Saisons konnte ich mit den besten Läufern mithalten, aber wenn man älter wird, kommt es auf die Trainingsqualität an. Man muss sich gut ausruhen, und wenn man trainiert, muss man aus dem Training etwas Gutes herausholen. Die Dinge, die einem nicht dabei helfen, besser zu werden, die macht man nicht mehr. Seitdem ich 2014 Vater geworden bin, habe ich keine Zeit mehr für unproduktives Training.
BW: Wie wichtig ist es, jeden Tag mit der richtigen Einstellung anzugehen?
SE: Es gibt Tage, an denen ich nicht trainieren will, aber weiß, dass es nötig ist. Meine Tochter hat immer gefragt: ‚Papa, warum gehst du zum Training?‘ Ich habe geantwortet, dass die Norweger und Franzosen noch mehr trainieren. Jetzt fragt sie nicht mehr!
BW: Woher nimmst du im Alltag deine Motivation?
SE: Nach über zwanzig Jahren im Weltcup hat sich das verändert. Motivation kann intrinsisch oder extrinsisch sein. Am besten ist es, wenn die Motivation von innen kommt. Man denkt nicht so viel über Ergebnisse nach, und darüber, was andere von deiner Leistung am Schießstand halten. Wenn man älter wird, wird man erfahrener und hoffentlich weiser. Mich motivieren viele Dinge. Ich mag es, dass meine Familie mich unterstützt; ich mag die Rennen, vor allem, wenn man tolle Rennen und Podestplätze hat. Ein Podestplatz pro Saison ist immer das Ziel. Aber mir gefällt vor allem der Prozess: Auf dem Gletscher trainieren, lange Trainingseinheiten. Ich weiß, dass ich das nicht immer können werde, also genieße ich das Hier und Jetzt. Motivation ist kein Problem.
BW: Wie schwierig ist es, Zeit mit deiner Familie mit Training und der erforderlichen Konzentration unter einen Hut zu bringen?
SE: Ich trainiere viel in Hochfilzen, nicht weit (20 km) von zuhause, und kann dann zuhause schlafen. Natürlich bin ich oft enorm müde, und dann ist man anders als sonst. Manchmal mache ich nicht alles mit ihnen, was ich gerne machen würde, aber ich versuche immer, alles möglich zu machen. Im Vergleich mit anderen Athleten habe ich es noch sehr gut. Es ist auch wichtig, dass ich meinen Beruf mag. Ich bin insgesamt ein sehr zufriedener Mensch.
BW: Wenn du deine Trefferquote von 89 % aus dem letzten Winter noch um ein oder zwei Punkte verbessern kannst, reicht es dann fürs Podest?
SE: Ich habe jeden Winter vier oder fünf Rennen, in denen ich eine Chance auf einen Podestplatz habe. Das macht einen großen Teil meiner Motivation aus. Wenn ich null Fehler schieße, ist das Podium in Reichweite.
BW: Zusammen mit Lisa Theresa Hauser hast du es in Antholz zum neunten Mal aufs Podest geschafft. Was ist das Geheimnis eures Erfolgs?
SE: Wir sind beide gute, schnelle Schützen. Für uns ist das ein tolles Format. Es ist ein gute Kombination, das Schießen mit der kurzen Strecke. Wenn alles zusammengeht, können wir sehr erfolgreich sein.
BW: Gibt es neue Ziele für diese Saison?
SE: Ich spreche nicht gern über Ziele, ich versuche einfach, sie zu erreichen. Aber das Podest ist immer ein Ziel, vielleicht in einem Einzelrennen und hoffentlich in einer Staffel.
BW: Reicht Mailand/Cortina 2026 als Motivation für 15 weitere Monate?
SE: Das ist schon eine große Motivation, Antholz ist vielleicht das erste Mal, dass sich Winterspiele wie Heimspiele anfühlen. Das sind von hier nur zweieinhalb Stunden. Es wäre toll, dort meine Karriere zu beenden, wenn meine Familie da sein kann. Ich muss schauen, wie dieser Winter läuft und was er bringt. Ich habe hart trainiert und hoffe auf gute Rennen in diesem Jahr. Wenn das klappt, wäre 2026 sicher mein letztes Jahr.
Fotos: IBU/ Christian Manzoni, Jerry Kokesh, Nordic Focus/Vianney Thibaut